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[   Band 1 Brief 111:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Mittwoch nachmittag, 22. Dezember 1790   ]


mir weh, daß ein Mensch von Alexanders Kopf und Herz an so
etwas Freude finden kann. Ich weiß sehr wohl, daß es nicht bös-
artig in ihm ist, aber es zeigt so eine Kleinheit. Vorzüglich zeigt
es so wenig Gefühl innerer Würde. Heute schreibt mir nun die
Forstern, und auch sie schreibt mir gegen Alexander. Freilich weiß
ich wohl, daß es in ihr zum Teil eine Art beleidigten Stolzes ist,
von dem sie nicht frei bleibt, weil er mit ihr weniger lebte als
mit andern in ihrem Hause. Ich schreibe Dir ihre Worte ab, weil
sie so originell sind. »Der Mensch hat mehr Verstand wie Geist
und mehr Gelehrsamkeit wie Verstand und mehr körperliche
Organisation zur Schwäche wie alles das.« Es ist sehr originell
und in den Elementen, da sie immer übertreibt, nicht unwahr.
Besonders ist das letzte ein tiefer Blick in seinen Charakter. Die
körperliche Schwäche zeigt sich oft in seinem übrigen Wesen. Ver-
zeih, meine Li, daß ich Dir so lang davon rede. Aber ich lieb ihn
unendlich und fühle oft, daß er so nicht glücklich sein, wenigstens
nicht bleiben kann. Ich wollte, ich könnt’s ändern, aber ich weiß
nicht wie. Geradezu schreiben? Einigermaßen werd ich’s tun, aber
ich bin da so besorgt. Man schadet so leicht und hilft so selten.
Schreib ihm Du, Liebe, wenn Du kannst. Der Anblick einer edlen,
großen Seele muß ihn heben. Das ist allein, was bildet. Ich
habe so wenig Zeit. Seit vielen Wochen schrieb ich ihm nicht. —
Der Wagen blickte mich eben so freundlich an, als ich jetzt
ans Fenster trat. Es war, als brächt er mir einen Gruß von
Dir. Weißt das doch, neulich schriebst Du einmal, Du glaubtest,
ich wäre jetzt in Gesellschaft, ich war es eben. Es hat mich so
gefreut. Ach! es ahnden sich unsre Wesen auch in der weitesten
Trennung . . . . . Immer werden wir in ungehemmter Freiheit
einer nur dem andern existieren, o! und nie wird einer dem andern
auch die kleinste der Freuden beschränken. Ach! wann beginnt sie
nur, die glückliche Zeit!

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