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[ Band 1 Brief 110: Caroline an Humboldt [Erfurt], Montag abend [20. Dezember 1790] ]
las, und doch schickt ich ihn fort. Es ist mir jetzt eine Qual, an jemand anderes zu schreiben, als an Dich und Lili. . . . Für die Ideen andrer bin ich milder, duldender, als ich es je war, aber weniger empfänglich. Da erscheint mir denn das Schweigen edler und anständiger, aber das Schweigen ist in der Welt so selten er- laubt. — Übrigens sollt es mir — verzeih, eben kommt Lili — Montag abend 12 Uhr Noch ein Wort, mein holdes Leben, vor Schlafengehen, und diesen Kuß von Lili und von mir. Einzig weh und süß war das Gefühl, mit dem ich sie wieder in meine Arme schloß, an ihren Blicken hing. Wir fühlten beide die Bangigkeit der vergangenen Zeit. . . . Ich lasse Dich nun, mein einzig liebes Wesen. Ruhe sanft, träume von Li. Donnerstag morgen . . . In ungebundener Freiheit des Geistes soll ich immer leben, schreibst Du mir. O, Bill, je näher ich Dir komme, je reiner ich Dich und Deine einzige nie ausgesprochene Schönheit, Deine Liebe fühle, in je entzückenderer Freiheit lebt auch mein Geist. Nie, süßer Bill, müsse der Gedanke, mir weh zu tun, Dich schweigen machen. Meine Seele empfängt wonnevoll die Deine im Schmerz wie im Glück. . . . Nun lebe wohl, mein süßes Wesen. Lili umarmt Dich. Wir machen eine sonderbare Gruppe. Sie liegt noch im Bette und schreibt auf einem Buch an Lottgen *). Ich an einem kleinen Tische, der daranstößt. Ach! nimm das herzlichste Lebewohl von Deiner Li. Meine Gedanken scheiden nie von Dir. ——— *) Charlotte v. Schiller. 340