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[   Band 1 Brief 109:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], Donnerstag, 16. Dezember 1790, abends 11 Uhr   ]


geben und an ihrem Busen zu weinen. Aber es ist albern morgen.
Der Koadjutor sollte zur Nacht hier essen, und nun kommt der
Prinz August *), und er ließ mir sagen, wir müßten mit Carolinen
zu ihm. An dem Prinzen habe ich eine erschreckliche Eroberung
gemacht, sagt Dalberg. Er hat ohne meine Gesellschaft nicht sein
wollen. Darüber muß nun die arme Lili sich noch putzen, wenn
sie müde von der Reise ankommt. —
Lebe nun wohl, Wilhelm.


110. Caroline an Humboldt                [Erfurt], Montag abend
                                             [20. Dezember 1790]

Es ist sechs Uhr. Lili ist noch nicht da, und ehe der Mond
aufgegangen ist, ist es sehr dunkel, und nun dazu die
bösen Wege. Es ist mir ein Trost, daß der Ursus bei
ihr ist, aber ich bin doch besorgt. Ach, Bill, und die Erwartung,
das ängstliche Zählen jedes Moments, es bewegt wunderbar süß
und schmerzlich die Seele. Wie war mir den Tag, da Du nach
Burgörner kamst. . . .
Ach, wie werd ich mit Lili noch von dem allen sprechen, die zwei
Tage in Rudolstadt waren so gar wenig, erschöpften nicht den
hundertsten Teil dessen, was ich ihr zu sagen habe. An ihrem
heiligen Herzen wird das meine wieder reger werden, hoffender und
vermögender die Zukunft zu fassen. Sie wird sich lösen, diese schreck-
liche Leerheit, diese Dumpfheit des Sinnes, die mich oft ergreift
und meiner Seele bessres Leben entführt. —
Ich schrieb endlich heut morgen an Alexandern. Der Brief
war dumm, man merkte es ihm an, wie ich mich gern heiter hatte
stimmen wollen und nicht gekonnt, ich fühlt es, wie ich ihn durch-

———
*) Der nachmalige Herzog von Sachsen-Gotha, geb. 1772.

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