< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 109: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag, 16. Dezember 1790, abends 11 Uhr ]
Dir und Alexander am Tisch bei der Generalin v. Knorr. Alexander reiste dann den folgenden Tag fort. Es tat mir auch darum leid, weil uns sein Scherz, seine glückliche Laune aus mancher augen- blicklichen Verlegenheit riß. O, wir hatten, und Du vor allen, sehr viel Momente, wo es das arme Herz bedurfte, den äußeren Schein des Scherzes anzunehmen, um sich nicht zu verraten. Aber wie weh, wie zerreißend im stillen war immer dieser Scherz. — O, und hier, nachdem unsre Verbindung bestimmt war, wie viel wehe Momente gab es, wo wir uns einer dem andern zu entgehn strebten. Weißt Du wohl noch, wie oft vom Nichtsehen in vielen Wochen die Rede war? Nachdem ich die Idee gefaßt hatte, daß Dein Herz der Forster gehöre, war es mein so voller Ernst. Deine arme Li dachte, »er glaubt mein Herz nicht stark genug, es zu tragen, darum schweigt er mir, er hat dem reinen Wunsch für mein Glück sein Leben zum Opfer gebracht, laß ihn denn auch das meine so empfangen, laß mich seiner Nähe so viel entsagen wie möglich, daß ihm meine Gegenwart nicht drückend werde«. O, Bill, was wäre das für ein Dasein geworden ohne unser Zusammensein in Weimar. *) Hätten unsre Vorstellungen Zeit gehabt, sich tiefer in unsre Herzen einzuprägen, sich inniger in alle unsre andern Gefühle zu verweben, hätten sie uns den Maßstab für den Ausdruck unsrer Empfindungen abgegeben, was wäre aus uns geworden! Nein, wir hätten es nicht ertragen. Diese verborgene, nie ausgesprochene Glut hätte unser Wesen verzehrt, diese schmerzliche Liebe sie auf- gerieben. O, verzeih meiner Schwäche! Ich kann den Gedanken des Verlusts dieses heiligen Glückes nicht tragen. Mir schaudert, und ich muß aufhören, still zu weinen und still mich zu freuen des schönen, wundergleichen Schicksals, das uns ward. . . . Ruhe sanft, mein Bill. ——— *) Gemeint ist die Zeit von der Verlobung bis zur Wiedervereinigung in Weimar Januar 1790. Vgl. S. 61. 332