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[ Band 1 Brief 103: Humboldt an Caroline [Berlin], 8. Dezember 1790, Mittwoch ]
sagst. Gewiß hättest Du doch die Bücher nicht gekauft, und doch wunderst Du Dich so gar nicht, daß ich’s tat. Diese Duldung, dieses leichte Begreifen und Fühlen, daß dies oder jenes andern anders sein kann, wo find ich das je, als in Dir, o! Du einzig Geliebte! Es ist so ein himmlisch großer Zug in Dir, auch in Dir der erste, der mich mit dieser Bewunderung Deines Wesens füllte. O! Li, warum bin ich nicht bei Dir, warum kann ich nicht un- unterbrochen mit Dir sein, zu Dir reden. Dann könnt ich Dir sagen, wie Du mir so ewig in jedem kleinsten, ach! vielleicht von Dir selbst nicht bemerkten Zuge so unendlich groß, so engelschön erscheinst; dann könnt ich es Dir aussprechen, welche Freuden, wie- viel und groß und mannigfaltig Du mir gewährst. O! Li, wie hast Du mich so namenlos glücklich, wie so reich gemacht! Dies eine Gefühl, diese Empfindung des innigsten, auflodernden Dankes reicht hin, mir ein ganzes Leben zu beseligen. Ach! nie wird eine Zunge es aussprechen, was Du mir warst, aber ich und Du wirst es fühlen, und wir werden einer vom andern Dasein und Leben empfangen, solange wir sind. — Freitag abend . . . . Ich habe gedacht, müßtest doch einmal wieder, liebes Kind, Mama schreiben, und da gibt das neue Jahr so eine schöne Gelegenheit, ein paar Perioden mehr im Brief zu machen. Ich schicke Dir ein Brouillon. Mache, daß der Brief so um Neujahr hier ist. Ich weiß schon, daß Du an diesem Dinge nichts änderst, und fühle doch, daß der Brief dumm ist. Ich wünschte wirklich, daß Kunth entdeckte, daß ich die Briefe mache, damit er nicht glaubt, daß das Kind so einfältig schreibt. Zu dem Mutternamen hab ich mich nicht verstehen können. Sieh zu, wie es Dir ist. Ich dächte aber, wir ließen’s bei dieser kühlen Wärme. — Lebe wohl, meine geliebte, einzige Li. 308