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[ Band 1 Brief 101: Caroline an Humboldt [Erfurt], 2. Dezember 1790, abends ]
jeder Hand eine Kugel zu halten. Bei der geringsten Bewegung entfielen sie ihnen, und sie mußten sie immer aufs neue wieder- nehmen. Das gefiel mir so. In meiner früheren Jugend hatt ich überhaupt viel Gefallen am Klosterleben. Immer schwebt es mir vor, was das für eine eigne Existenz sein müsse, so geschieden von allem, einzig erfüllt mit dem Bilde eines Geliebten, so das Leben hinzuleben, in dieser Einförmigkeit, dieser ununterbrochenen Stille, langsam zu vergehn. — Und dann das Gebet und die Zeremonien der katholischen Religion, sie hatten immer etwas Anziehendes für mich, haben es zum Teil noch. Freitag abend Ach, daß ich wieder zu Dir komme, mein süßes, einziges Leben! — Papa hatte Gesellschaft. . . . Das Gespräch war zu allgemein, um interessant zu werden. Ich bemerke auch, daß ich selbst den besseren Menschen nicht mehr sein kann, was ich ihnen war. Meiste Seele ist zu voll von dem einen Gefühl. Ewig zurück- kehrend zu ihm, alle Kräfte meines Wesens aus ihm schöpfend, wird alles, was mich abzieht, auf Augenblicke zerstreut, eine schmerz- hafte Störung in meinem inneren Dasein. Darum würkt jede Gesellschaft so schlimm auf mich. Wo ich Dich nicht mehr fühle, bin ich mir selbst entwandt. Und ich vermag Dich nicht zu fühlen, als in tiefer, schweigender Seele. Aussprechen kann ich Dich nie, und wenn ich es könnte, so würde ich nicht. Du bist mir zu heilig. Wer Dich nicht ahndete, der würde auch meine Liebe nicht ver- stehen, und wer, wer ahndete Dich, Du einziges Wesen. Ach, er müßte Dich vernommen haben in Stunden der Begeisterung, wo nur Deine Li Dich vernahm, er müßte Dich lieben mit dieser Liebe, die den ungemessenen Raum aller Zeiten ausfüllt, denn sie allein zerreißt die verhüllenden Schleier, nur durch sie dringt unser Blick tiefer in das Wesen der Dinge, in das Heiligtum aller Er- kenntnis und Wahrheit! — Dich, Bill, daß Du mir viel warst, 302