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[ Band 1 Brief 97: Caroline an Humboldt [Erfurt], Mittwoch abend, 24. November 1790 ]
hübsch ist, und will auch suchen, es nicht mehr zu tun, aber kann nicht immer davor. — Gestern dacht ich so oft in mir, ach, wenn Bill seine arme Li sähe in der öden, großen Gesellschaft, so geputzt und so krank, wie weh würde sie ihm tun; ist recht gut, daß er sie nicht sehen kann. Den Mittag saß ich bei Tisch neben dem Herzog von Weimar. Er zog mich viel mit Dir auf und unsrem Rendez- vous in Weimar und sprach von Tegel, Deinem Vater und was weiß ich — er wollte alles wissen. Meine Antworten waren immer sehr lakonisch, es ist mir unerträglich, von allem, was auf Dich Bezug hat, in dem Tone zu sprechen, aber der Herzog ließ sich nicht irre machen; er kann manchmal gar platt sein! Goethe war auch da, und den Abend hatt ich einige interessante Unter- redungen mit ihm, nur daß ich ihn mit meinem zerstörten Kopfe nicht recht genießen konnte. Von Gotha war der Prinz August da, der sich gar sehr in Deine Li verliebte. . . . Aber ich bin so hölzern, es will mir gar nichts über die Lippen, und wenn mich die Menschen etwas fragen, so ist meist ein trauriges »ich weiß nicht« die ganze Antwort. Unbefriedigt gehn sie dann weg, und ich fühle, für was für eine kalte, gleich- gültige Braut sie mich ansehen, aber was hilft’s? — Ach, daß ich’s nicht bin, das weißt Du wohl— nicht wahr, Bill? ach, und ewig soll es niemand wissen wie Du. — In Halberstadt, habe ich mir ausgedacht, werden wir recht viel allein leben können. Es ist zwar ein ewiges Treiben mit Ge- sellschaften und Assembleen dort, aber es ist genug, daß wir nicht spielen, um dort nicht vermißt zu werden. Ach, das Leben ist so kurz, wozu sich die schönsten Jahre, die Jahre der Kraft und der blühendsten Fülle verderben! — Ich habe einmal gedacht, vorigen Winter, Du hättest Spaß am Dienst, und da habe ich geschwiegen, weil ich bei allen meinen Grillen und wie sehr ich dran hänge, doch fühle, wie viel richtiger 291