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[   Band 1 Brief 95:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 15. November 1790,   ]


auch vereint sind. Für eine gute Ehe muß unsre Verbindung an-
gesehen werden und für weiter nichts. Aber nicht wahr, mein Bill,
wir werden uns den Blicken der Menschen nicht viel aussetzen?
nicht mehr als nötig ist? Es gibt eine höfliche Manier, mit der
man sie entfernt hält. Was fingen wir mit ihnen an? — O laß
uns einsam leben — Du wirst sehen, wie dann Li heiter und froh
und gesund ist. Aber ernstlich, meine Gesundheit verträgt eine ge-
wisse Art Gesellschaften gar nicht. Die vorige Woche ging’s hier
bunt her — dafür büßt ich auch die letzten Tage. Aber denke
nicht, daß ich Dich trennen will von allem Umgang, Dich ver-
einzeln auf mich. Ach nein, werde mich so innig freuen jedes Mo-
ments, den Du in geistvoller Unterhaltung zubringst, so kindlich
danken für jeden, den Du mir schenkst. —
Mein Bill, wie bist Du mir so alles, alles! Im kühnsten
Auffluge meines Geistes ahndete mir nicht, daß Menschen das zu
geben und zu empfangen vermöchten. Nun ist es mein, das Glück,
dem die Sprache noch keinen Namen gegeben hat. Laß mich
schweigen — es versinkt meine Seele in dem Gedanken.


96. Caroline an Humboldt             [Erfurt], 19. November 1790,
                                                   Freitag abend

Ich habe mich vor das Klavier gesetzt, Dir zu schreiben, war
so müde zum Stehen. Wenn ich nun die Augen aufschlage,
seh ich den fürchterlichen Reuter, dessen Du Dich erinnerst.
Aber ich blicke nicht viel auf, denn vor mir liegt Bills Bild, und
während ich schreibe, schiele ich oft über das Blatt hin und werfe
ihm Küsse zu und kose mit ihm. Das Bild ist wandelbar, einen
Tag sieht’s Dir ähnlicher als den andern. Wie verschieden doch

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