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[   Band 1 Brief 93:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], Freitag abend, 12. November 1790   ]


meine Tränen sind getrocknet — meine schmerzlichen Tränen —
sanft und still wein ich nur noch, und es wird meine Seele kind-
lich hingegeben und vertrauend — o, Dank, Du heiliges Wesen —
diese Momente des Friedens kommen auch fern von Dir. Lebe
wohl. Laß mich in tiefer Stille an Dich denken. Wann dächt ich
Dich aus!


94. Humboldt an Caroline               [Berlin], Sonntag abend,
                                              14. November 1790

Schilt Billn nicht, daß er so kindisch ist. Hat heut noch eine
Entdeckung gemacht, die ihn so gefreut hat. Li heißt auf
hebräisch mein, brauche nun nicht mehr zu sagen »meine
Li«, Li ist schon mein; aber Bill heißt nicht Dein und ist doch
auch Dein. Ach! wohl ist er Dein.
— — — Der arme Carl hat mit Jetten so viel zu tun. Ich weiß
nicht, ob ich Dir schon davon schrieb. Vor etwa sechs Wochen
hatte ich mit Jetten eine übergroße Konferenz. Du weißt Jettens
und Carls altes Verhältnis. Jette liebt Carln wirklich. Denn,
wenn mir auch das nie Liebe eigentlich scheint, was sie fühlt, so
spreche ich doch so ungern über anderer Empfindung ab. Es ist
doch wohl das Höchste, was sie zu fühlen vermag. Denn wem
außer mir gewährte das Schicksal das Glück, eine Liebe zu ge-
nießen, gegen die jede, auch die glühendste Empfindung kalt scheint?
Ach, es scheint mir so ungerecht, mich dieses Glücks zu überheben,
nach dem Maßstabe der Wonne, die Du mir gibst, den Gefühlen,
die Dein einziges Wesen in mir weckt, andere zu beurteilen, daß
ich vielleicht nie so sanft und behutsam im Beurteilen anderer war,
als ich es jetzt bin. Jette liebt also Carl, und Carl — Carl hat
sie wahrscheinlich nie geliebt, oder höchstens eine kurze Zeit es nur
geglaubt, und hernach ihr die Idee, durch die er sah, daß sie Freude

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