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[ Band 1 Brief 93: Caroline an Humboldt [Erfurt], Freitag abend, 12. November 1790 ]
Sonnabend abend Gestern mußte ich aufhören, und heut komme ich wieder zu Dir mit so wundem, zerschlagenem Herzen. Ach, was ist’s, das so auf unsrer Seele spielt? Woher dieser Hauch des Friedens, dies Vergehen im Schmerz? Gibt erst ein künftiges Dasein Aufschluß über diese Momente? Aber warum ist unser Wesen geschaffen, die Wirkung zu empfinden, wenn unser Blick nicht die Ursach zu erspähen vermag? Es verirrt, verliert sich mein Geist in einem nächtlichen Labyrinth, und ich fliehe ängstlich zu Dir. Laß mich ruhen in Deinem Schoß, weinen an Deinem Busen, Du einzig süßes Wesen. Ach, noch im vereinten Leben würden oft Deine Tränen an dem meinen fließen, schriebst Du mir letzt. Dann sollte ich Dich lassen — nicht so, mein Geliebter. Inniger will ich Dich dann an meine Seele schließen — o — es erhellt diese Momente allein der Blick segnender Liebe! Meine Liebe wird dieser Segen begleiten, denn sie ist ja wahr und tiefer gefühlt wie mein Leben und anspruchlos — ach, so mein ganzes, ganzes Wesen dahin- gebend. — Bill, nicht dem vollkommnern, schönem Wesen könnt ich Dich überlassen, aber wenn ich eine liebendere Seele wie die meine kennte, ein Wesen, dem das Deine in Wonne und Schmerz inniger zutönte, o, dann könnt ich das meine zum Opfer bringen und noch unendlich selig und genießend sein. Nichts, ach nichts in mir sagt mir, daß ich Dich verdiene, nur in der heiligen Wahrheit dieser Empfindung blüht mir die Hoffnung auf, einst Deiner werter zu sein. Wen Du liebst, dessen Geist muß von Höhe zu Höhe steigen, rastlos ringen, sich zu nähern dem Urquell aller Voll- kommenheit und Schönheit; und ein Leben, das unter Dir gedeiht, sich immer schöner in dem Odem Deiner Liebe entfaltet, muß Dich glücklich machen. Ach, einem guten Wesen den Himmel geben, sein menschliches Dasein zum göttlichen umschaffen, das ist’s, Wilhelm, was Du an Deiner Li tust. — Ich erinnere mich eines Abends 283