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[   Band 1 Brief 89:    Humboldt an Caroline    [Berlin], 6. November 1790   ]


Ideen, so tief jede Empfindung, so menschlich und kindlich der Sinn
und so göttlich die Kraft und die Liebe, mit der Du wohltätig alle
Wesen umfassest. Es vermag niemand den andern in sich auf-
zunehmen wie Du, ihn in die Seele zu fassen und wieder dar-
zustellen wie Du. Deine Ansicht veredelt den Gegenstand, den Du
beglückst, und er fühlt nicht mehr sich in sich, sondern nur Dich
und die allbelebende Kraft Deiner Liebe. Wenn ich mich denke,
wie ich war, da ich anfing, Dich zu empfinden, und was ich jetzt
bin, jetzt, da Deine namenlose einzige Zärtlichkeit mich zu einer
Wonne erhebt, für die oft beinah mein Wesen zu schwach ist, so
werf ich mich hin vor Dir und bete Dich an, die Du so viel
Neues und Schönes und göttlich Großes und menschlich Liebes in
mir schufst. Denn in den Momenten, da ich Dich fühle, empfind
ich mich so, seh ich mich auf einer Höhe, die ich nicht mit eigner
Kraft erstieg, nach der ich nie zu ringen gewagt hätte, zu der aber
Du mich erhebst. Unaussprechlich süß und entzückend ist mir jeder
Moment, da dieser Stolz mich durchglüht. Denn ich empfinde
dann auch den höchsten Grad der innigsten Demut, wenn mein
anbetender Geist in Dir allein die Kraft und die Schöne und die
Göttlichkeit sieht, die aus mir nur zurückstrahlt. Deiner Sorgfalt
erster, geliebtester Gegenstand, schmieg ich mich ruhig an Deinen
Busen und rühme mich des, was ich durch Dich bin, wie der
Gaben der Götter sich der Glückliche rühmt.
Du fühlst das nicht so, liebe, gute, anspruchlose Li, siehst mich
über Dir und wähnst mich nicht zu verdienen. Ach, es war ja
beinah das erste Wort, das Du mir sagtest, als ich nach Burgörner
kam und Du die Augen wieder aufschlugst und mich sahest und
Dich freutest, Dich in meinen Armen zu fühlen. Behalte sie immer,
die liebe Täuschung, wohl ist’s so süß, Liebe zu empfangen und
nicht zu verdienen. Aber ich, ich, Li, stehe unter Dir und blicke auf
zu Dir und werde nie Dein wert sein, weil kein Mensch Dein

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