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[ Band 1 Brief 88: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag abend, 4. November 1790 ]
ohne jenen Moment in Weimar, wo Du mit einem schnellen Blick mein Innerstes durchschautest, wir lang vereint hätten leben [können], ohne zu wissen, was wirklich in uns war. Die Furcht, dem Ge- liebten drückend zu werden, hätte jede so namenlos süße Äußerung unserer heiligsten Empfindungen gehemmt — im Schoße des seltensten, unsäglichsten Glücks, das die Menschheit aufzuweisen hat, fühl ich’s bis zur Gewißheit, daß wir entbehrend geblieben wären, hätte es sich nicht so gelöst. O Bill, mir schaudert doch vor dem Gedanken! Bei Gott, nicht allein der Verlust des eigenen, einzigen Glücks unsrer Wesen erschüttert mich so, aber der Verlust in der Summe des schönen Genusses, der höchsten Empfindung, der — o meine Seele ahndet es in den lichten Momenten, wo sie, auf kühnen Fittichen der Begeisterung getragen, die verhüllenden Schleier auf- hob — ewig selbständig, wohltätig und segensvoll fortwirkt in den ewig wechselnden Gestalten aller äußeren Dinge. O, es verirrt sich nicht mein liebebedürfend Herz in eitlen Hoffnungen —— mit der höchsten Empfindung gattet sich die höchste Klarheit der Ideen. In jedem Verhältnis des Lebens kann sie vorschweben dem Blick, der sie zu erkennen vermag, die Urgestalt aller Schönheit und Wahr- heit, aber ihr am nächsten trägt uns allein die glückliche Liebe. — Nun lebe wohl, mein süßes Wesen. 89. Humboldt an Caroline [Berlin], 6. November 1790 O bei meinem einzigen Glücke schwöre ich Dir, ich opfere alles der Seligkeit, die Du mit so segenvoller Hand über mich ausgießest! Denn wo war je ein Wesen wie das Deine, wo diese Schönheit und Fülle und Größe, und die zu einem so wundervollen Ganzen vereint? So mannigfaltig und groß Deine 268