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[ Band 1 Brief 88: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag abend, 4. November 1790 ]
seine Seele stiller, aber in andren Momenten — ich bin noch weicher geworden, seit ich mich so geliebt fühle, so liebe, wie keine Sprache es nennt, — aller Jammer seiner Seele tönt in der meinen wieder, und mein Betragen gegen ihn kostet mir eine unglaubliche Mühe und Arbeit. Dem Koadjutor entgeht es nicht. Er dankte mir gestern für die Art, wie ich mich gegen ihn nähme. Wenn Du herkommst, mußt Du ihn besuchen. Du bist so ein einzig feines Wesen und schon dadurch allein so wohltätig. Ich sprach ihm noch nicht von Dir, es muß sich von selber machen und die Veranlassung von ihm kommen. Nur ein einzigmal in der Komödie nannte er Deinen Namen. Damals wollte er mehr sagen, aber es war, als vermöchte er’s nicht. Von allen meinen Bekannten hier ist er der einzige, der mir noch nichts über unsre Verbindung sagte. Mir liegt in diesem Schweigen etwas so Mensch- liches. Ach, wie wunderbar verschieden gestalten sich dieselben Ge- fühle in den Menschen. Was den einen erhebt, drückt den andern zu Boden. Ja Bill, mir konnt es vielleicht ein kurzes, aber ge- wiß ein unaussprechlich seliges Dasein geben, mein ganzes Wesen hinzugeben einer ungekannten, unerwiderten Liebe. Verzeih, wenn ich die Erinnerung jenes Morgens in Weimar Dir zurückrufe. Der Schmerz, einer fest gefaßten Hoffnung zu entsagen, verriet mich. Daß die Bewegung so heftig war, um bemerkt zu werden —— ach mein Bill, verzeih mir, aber es war doch menschlich, denn alles, was sich in dem einen Moment zusammendrängte, war zu ungeheuer, um es mit stiller Seele zu tragen. Wäre dieser Mo- ment vorüber gewesen, o glaube mir, so war es auch geschehen. — Ist es wahr, daß aus dem Genusse des Schönen die Kraft, die Begeisterung stammt, mit der wir das Große, das Schwere ausüben und in unser Wesen verweben, so ist es auch wahr, daß aus dieser teuer errungenen Seelenstimmung Blüten unverwelklicher Schönheit sprossen. — So bin ich überzeugt, mein Wilhelm, daß 267