< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 88: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag abend, 4. November 1790 ]
nur, hat es hinzugesetzt, muß die vernünftige Person nicht vergessen, am Tage viel in Bills Arbeitsstube zu sein. Aber das wird sie nicht, denn sie hat’s gern, wenn andre Leute sich an ihrer Solidität spiegeln, um auf sie zu würken. Ja, und an Bill will sich Li nun rächen, weil er so erbarmend von ihrer Vernunft spricht und sie vor keine Person erkennen will, wird einmal drei Tage sich nicht sehen lassen — ich mich in drei Tagen nicht sehen lassen — o glaub es nicht, mein einzig süßes Wesen, Du kannst es getrost drauf wagen — sieh mich an und nicht an für was Du willst, wenn ich nur indes auf Deinem Schoß sitzen und mich in den blauen Augen spiegeln und mit den kleinen blonden Haaren tändeln darf. Freitag gegen 4 Uhr Gestern mußte ich aufhören. Ich weiß nicht, wie es war. Von dem schnellen Wechsel meiner inneren Stimmung vermag ich mir selbst keine Rechenschaft abzulegen. Zuweilen kann ich sie aus- sprechen gegen Dich, zuweilen auch nicht. Ach, dies Zimmer hat Dich nicht glücklich gesehen, das ergreift mich so manchmal, und dann wird’s mir unheimlich und weh. — Nun verlebte ich wieder so eine ängstliche Nacht, so einen wehen und glücklichen Morgen. — Sonntag, 7. November 1790 Gestern konnt ich Dir nicht schreiben. Die Rückkunft des Koadjutors hat einige Freunde von Mainz nachgezogen . . . Ich hatte einige schöne Augenblicke mit ihm, seit er zurück ist. Seine Feinheit, sein schnelles Auffassen ist mir so viel. Es vervielfältigt so den Genuß, und ich fand das allein nur bei wahrhaft großen Männern. Der Koadjutor frug nach Dir, freut sich der Hoffnung, Dich zu sehen, und grüßt Dich herzlich. Dominikus seh ich seit einigen Tagen sehr viel, und es wird wohl so ein paar Wochen fortgehen, solange die Gräfin *) da ist. Ich weiß nicht, ob es ihm wohltut. Er sagt es, und zuweilen ist’s mir auch, als fühlt ich ——— *) Gräfin Stadion, deren Sohn Dominikus unterrichtete. 266