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[ Band 1 Brief 87: Humboldt an Caroline [Berlin], Sonntag abend, 31. Oktober 1790 ]
ihr. Sie ist’s über alles mit ihm. Mit der Jette, selbst mit Brendel komme ich sehr auseinander, ohne es eigentlich zu wollen. Ach, liebe Li, Du glaubst es nicht, es stößt, es hemmt mich an beiden so vieles, seitdem ich Dich so ganz, so nahe denken kann und Dich als mein denken darf. Meine Ideen, meine Gefühle gehen meistens sehr von den ihren ab, und gerade so, wie man das Abgehn wenigstens insofern nicht tragen kann, daß man die andere Art nicht schätzt. Gott! mit Dir, mit Caroline, mit so einigen, wenngleich wenigen Männern ist mir gerade diese Verschiedenheit der Ansicht so unendlich viel wert. Da bewundere ich so die fremde Meinung, fühle ihre Größe und Schönheit und liebe dabei auch die meine, weil es nun einmal die meine ist, weil sie nun einmal in alle Ideen und Gefühle verwebt ist, die mir Freude ge- geben haben. 88. Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag abend, 4. November 1790 Ob ich den Finger am Siegel auch bemerke, fragt mein Bill? Wenn Li so etwas entginge, wäre Li nicht Li. Alle Kuverts heb ich so heilig auf, brachten mir ja so viel, ach, so viel, so alles! — Warum meine Finger manchmal besser ausgedrückt sind, will ich Dir sagen, wenn ich Dir nicht mehr schreibe. Und wann ist das? Wenn Li am stillen Abend vor Dir kniet, dann und nicht eher hört das Schreiben auf. Nicht wahr, die Abende sind mein? Am Tage will Li eine vernünftige, eine solide Person sein, Bills treue, sorgsame Hausfrau, aber am Abend muß sie ein Kind sein dürfen, alles treiben, was ihr in den Kopf kommt, springen, klettern, tanzen, küssen, denn das Küssen schickt sich für jede Rolle. Ich habe mein Bildchen gefragt, ob Bill so zufrieden sein würde? und es hat mir ein freundliches Ja zugewinkt, 265