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[ Band 1 Brief 87: Humboldt an Caroline [Berlin], Sonntag abend, 31. Oktober 1790 ]
leben, und ich werde nie glücklich sein, bis ich nicht fühle, daß ich nichts, nichts mehr denke, empfinde, tue, was nicht Li glücklicher macht. Jetzt denk ich es bei der Arbeit nun wohl, denn diese Arbeit verkürzt die Zeit unsrer Trennung. Aber oft denk ich auch, ob es nicht besser gewesen wäre, diese Zeit ganz abzuschneiden, gleich oder doch jetzt gleich meinen Abschied zu nehmen und Dir zu leben und mir. Mir fallen dann alle Schwierigkeiten ein, aber ich denke doch oft, daß ich nur zu feige bin, ihnen zu trotzen, und klage mich an und weine Tränen — nicht wie sonst immer; bittere, schmerzende Tränen, und bitte Li um Verzeihung und knie nieder vor etwas, das von ihr ist, und frage so innig, ob ich’s auch küssen darf, und küß es dann im Vertrauen Deiner erbarmenden Liebe! Und wenn ein paar Momente vorüber sind, seh ich wieder mehr die äußere Lage um mich her und denke, es ist doch eine nützliche Sorge für die Zukunft, es sichert mehr ein glückliches, sorgenfreies Leben, und dann schwank ich hin und her und möchte, daß Li mir immer sagte, was ich tun soll, daß ich wüßte, ich täte nichts, als was sie befohlen hätte. O! tue das, Li, tu’s, ich beschwöre Dich. Befiehl immer Billn, Gott, weil es so süß ist, zu tun, was die Liebe will! — Leb wohl! Montag Ich bin heut in Tegel, und Franz *) kommt heut mittag auch heraus. Es ist wohl ein guter Junge, aber viel könnt ich doch nicht mit ihm leben. Viel innerer Gehalt ist’s doch nicht, und diese ausführlichen Gespräche über sich, seine Pferde und seinen Pudel können mich ordentlich in eine Art von Verlegenheit setzen. Er ist in höchstens vier Wochen bei Dir in Erfurt. Es ist mir lieb, er ist doch immer ein Wesen besserer Art, so nah verbunden mit Carln, und kann Dir auch von Bill manches sagen. Sprich ihm auch über Jetten, er hat sie viel gesehen und scheint zufrieden mit ——— *) Vgl. S. 199. 264