< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 86: Humboldt an Caroline Berlin, [Datum fehlt] ]
hatte. Du hattest gleich so tief in mich geblickt, denn es war wirk- lich der charakteristischste. Konnte es immer nicht begreifen, als ich das erstemal bei Dir war, daß Du so lieb und zutraulich mit mir umgingst. Ach, ich erinnere mich noch jedes Augenblicks. Wenn ich nach der Laube ging in dem letzten Sommer, und schon vorher in Erfurt, nahm ich mir immer so fest vor, wie ich sein, wie ich reden, auf welche Gesichtspunkte ich uns beide leiten wollte, und wenn ich bei Dir war und Dich sah, dann glüht es zu stark in dem armen Herzen, und wenn ich weg war, hätt ich so gern so vieles zurückgenommen, und ängstigte mich und hoffte endlich, Du hättest es nicht bemerkt oder vergessen. Verzeih mir, liebe Li, aber wollte mich nicht gern verraten, dachte, es möchte Dir weh tun, Dich so geliebt zu sehen, wo Du nicht wieder liebtest, möchtest mich auch unglücklicher wähnen, als ich wäre. Denn wenn ich auch selbst die Hoffnung der Erfüllung des einzigen Wunsches entbehrte, so wurde mir doch so wohl, wenn ich Dich sah, und Dich lieben zu können, diese Liebe in mir zu tragen. Sage, Li, ist’s ebenso in Dir, könnte Dir das nicht ebenso ein unaussprechliches Glück geben, wenn Du auch sonst nichts genießen, dem lieben Gegen- stande nichts geben könntest? Sage mir, Li. In vielen, auch fein- und tieffühlenden Menschen muß es wohl nicht so sein. — Du schriebst neulich, Dominikus *) habe nach mir gefragt. Grüß ihn herzlich. Der arme Mann tut mir so weh, und die Art, wie er sich nimmt, gefällt mir unendlich. Er verschließt doch auch so das Gefühl in sich und gibt sich ihm hin, mög es auch sein Wesen zerstören. Vielleicht macht’s ihm Freude, zu wissen, daß ich ihm gut bin. Sag es ihm ein wenig ausführlich. Wenn ich nach Erfurt komme, will ich selbst zu ihm gehn. Ich will doch schon machen, daß er gewiß nicht ahnden soll, daß ich weiß, wie’s ihm ist. Denn es muß sehr weh tun, in dieser Lage von einem ——— *) Vgl. S. 236. 259