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[   Band 1 Brief 85:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 25. Oktober 1790, abends   ]


in Dir, mein Geliebter, bei der Mannigfaltigkeit Deiner Vor-
stellungen, bei dem schnellen Wechsel der Empfindung, für den Du
so empfänglich bist. Nicht selten erfordert es ein geübtes Auge,
den Zusammenhang Deines inneren Wesens zu erblicken, aber wie
belohnt findet man sich für die Mühe. So süß gedrängt, so einzig
erfüllt von dem Verlangen, immer tiefer in Dich einzugehen, immer
inniger in Dir zu versinken, fühlt sich die Seele — ach, es dämmert
aus der Vergangenheit ein Schimmer des entflohenen Glückes mir
auf — so war mir ja so oft an Deiner Seite. Ach, es glüht noch
in meinem Innern das heilige Feuer, das von Deinen Lippen zu
mir überströmte, aber wie öd ist mein Herz, wie zerrissen — ver-
zeih, verzeih meine Tränen, geliebter Mann, sie entweihen nicht
die hohen, die einzig schönen Gefühle unsrer Liebe, denke Dir oft,
daß das die süßesten Momente meines getrennten Lebens sind, und
freue Dich ihrer. Li hat kein Glück, als sich zu vergessen, im
dämmernden Scheine der Vergangenheit, der Zukunft, der Gegen-
wart zu entschweben. Ach, ein volles, reines Gefühl des Lebens,
unsres eigenen Wesens aufzufassen, ist uns Frauen so schwer.
Unser Dasein blüht nur in Liebe, sie allein webt uns die Fäden,
mit denen wir uns verbunden fühlen an ein schönes Ganze, sie
löst das irre Gewebe unsres unaussprechlichen Sehnens, unsrer
schwankenden Wünsche und Hoffnungen, in sie allein vermögen
wir unsre ganze Seele zu legen und schöner wieder zu empfangen.
Alles andre zieht uns aus uns heraus und gibt uns nichts. Es strebt
unser Herz in die Ferne, Leere und Ekel scheucht uns zurück. Du allein
füllst es, allbelebende Liebe, Krone des Daseins, ach und nur dann
selig und ganz, wenn wir unser inneres Sein nicht zerstören im eitlen
Streben nach dem, was außer uns liegt, wenn unser ganzes Wesen
hingegeben ist einem einzigen, großen, unaussprechlichen Gefühl. —
Bill! welche heilige Glut füllt wieder meine Seele, ich war
so schmerzlich bewegt, als ich anfing zu schreiben, und nun — ach,

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