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[   Band 1 Brief 83:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], Mittwoch abend, 20. Oktober 1790   ]


83. Caroline an Humboldt           [Erfurt], Mittwoch abend,
                                   20. Oktober 1790

Zwei Tage lang schrieb ich Dir nicht, mein Bill, mein einzig
süßes Leben. Ich war so krank, mein Kopf von so einem
heftigen Schmerz zerstört, daß ich’s lieber sein ließ, da es
doch nicht Posttag war, denn sonst hätt ich doch geschrieben. Es
war nur ein Übergang. . . .
Solch einen heißen Wunsch wie der, den ich jetzt nach Dasein,
nach Leben in mir trage, erinnere ich mich nie gehabt zu haben.
Ach nein, daß wir vor dem Aufblühen des Glücks hingeschieden
wären, wenn wir jetzt, vor dem Tag der Vereinigung, stürben,
möcht ich nicht sagen, nein, bei Gott nicht, doch ahndet aber meine
Seele, in ihrer göttlichsten Gestalt werde uns die Liebe erst im
ruhigen Besitz erscheinen. Dein Wesen, mein holder Bill, ist wie
das meine nicht gemacht, über der Freude, Momente des Glücks
dem Schicksal entrissen zu haben, alles andere zu vergessen. Stille
und Ruhe und das wohltätige Gefühl der Nähe eines liebenden,
geliebten Wesens sind ihm notwendig, sich lebendig zu fühlen in
seinen besten Kräften, aufzublühen zu seiner höchsten Fülle und
Schönheit. Wir konnten vergessen, mein Geliebter, jeden drückenden
Gedanken, aber nur auf Momente. Selbst in den letzten unsers
Zusammenseins konnten wir das noch, aber laß uns wahr sein,
wie wir menschlich waren. Bill, dies ist noch nicht die höchste
Stufe des Glücks. Ich wage es, Dir eine höhere zu versprechen,
wenn ich Dein wohltätiges Dasein dauernd um mich fühle. Ich
verspreche viel, Bill, ich fühl es, aber nicht mehr, als ich zu halten
vermögend bin, auch das fühl ich. Du hast mir diesen Stolz ge-
geben, die Erinnerung des reinen Entzückens, zu dem ich Dich in
jenen wundervollen Tagen gehoben sah, hält meine Seele. Im
verzehrendsten Schmerz, im tiefsten Jammer fühl ich mich noch so,
bin ich mir selbst so viel, weil ich Dir alles bin. O, Dir das zu

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