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[ Band 1 Brief 83: Caroline an Humboldt [Erfurt], Mittwoch abend, 20. Oktober 1790 ]
sein, Du Unaussprechlicher, welchen Einklang bringt es in mein Wesen, zu welcher Harmonie löst es mein Leben. Es ist bald zwölf, Du sitzest noch und arbeitest, mein Bill, — lang stand ich am Fenster. Es ist eine so helle, sternenvolle Nacht, und der Mond beleuchtet so schön die Kirche mir gegenüber. Ach, die Zeiten, wo er noch den alten Turm in Burgörner beschien! — Verzeih, es ist nichts um mich, das mich nicht auf die Vergangenheit zurück- führte. Und warum verzeihen — ist’s Dir wohl anders? — Ich schicke Dir eine Flechte von meinen Haaren, Bill, Sie ist so klein, Du kannst sie unbemerkt tragen. Ich hätte Dir gern eine Schleife von meinen Haaren geschickt, aber die Idee, daß die alle Leute sehen, daß sie vielleicht gar jemand anfaßt, ist so unangenehm. Du darfst nichts an Dir haben, wobei es jemandem einfallen könnte zu sagen, »ein Andenken vermutlich von der Braut«. Ich könnt es nicht ausstehen. Erzähle den Menschen nur immerfort, daß Du mich um dieser und jener Ursache willen heuratest. Mir ist’s schon recht. Ich mache es ungefähr hier ebenso. Wenn ich freundlich und verbindlich auf die Glückwünsche gedankt habe, die mir von allen Seiten zuströmen, wo man mich nur sieht, so folgen mehren- teils einige Äußerungen, wie sehr man meinen Verlust hier be- klagen würde und dergl., da bin ich nun recht in meinem fort. Ich habe mir einige Phrasen angewöhnt, die ich dann dabei wechselweise brauche, und wenn sich die Leute wundern, wie wir noch so lange voneinander getrennt leben könnten, so werfe ich mit Vernunftgründen um mich herum. Es hat auch letzt jemand hier von mir gesagt, »die Fräulein Dacheröden ist eine sehr solide Person, es wird gewiß eine vortreffliche Frau werden.« Aber wie mir bei dergleichen Gesprächen zu Mute ist —— Bill, denke Dir Dein armes Mädchen! — Nun gute Nacht, mein süßes, mein einzig liebes Wesen. Ach, möchte wohl, daß Du eine Stunde früher zu Bette gingest 251