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[ Band 1 Brief 82: Caroline an Humboldt [Erfurt], Montag abend, 11. Oktober 1790 ]
Ideen, die Neuheit Deiner Ansichten, selbst die Eigenheit Deiner Sprache wird den geistreichen, feinfühlenden Mann in Deinem Umgange zerstreuen — Du wirst ihm entschlüpfen. Dein Selbst, die höchste Schönheit Deines Wesens, jene entzückende Einheit in Dir empfindet man allein in Momenten der Begeisterung, zu der nur die Liebe den Geist erhebt, und lieben — ach, Du weißt, was ich mit diesem Wort mich vergebens zu sagen bemühe — lieben kann nur das Weib den Mann, der Mann das Weib. — Die Hoffnung, Dein Bild zu haben, gibt mir eine Freude, die nur Du empfinden kannst. Ich werd es in meinem Busen tragen, an die Lippen legen, die nach einem Kusse schmachten, an die Augen, die oft trüb geweint trauern, daß sie Dein süßes Bild nicht mehr aufnehmen, und was der Maler vergißt, wird meine Phantasie ergänzen. Ach, kaum kann ich es erwarten, bis es da ist. Ich soll spazieren gehn, will Bill haben. Ach, er braucht sich kein Ansehen zu geben, Li tut so gern, was er will — aber kann nicht spazieren gehn, sieht so lächerlich aus, wenn eine Dame mit einem Bedienten herumzieht, käme mir vor, wie eine Gefangene mit dem Kerkermeister. Li sitzt in der Stube, und zuweilen, wenn sie’s gar nicht mehr aushalten kann, läuft sie heraus, durch den Hof, in das Haus eines Nachbars, eines Salpetersieders, der in seinem Hof einen Berg hat und auf dem kleinen Berg eine Laube. Da setzt Li sich hin und blickt in die Ferne und über alle Dächer der Stadt hinweg ins freie Feld und weint und streckt die Arme nach der Gegend aus, wo Du bist, liest einen Brief, und wenn sie ihn wieder mit Tränen benetzt hat, legt sie ihn an das arme Herz, und das Herz dankt und wähnt zu vergehen in unendlicher Wonne und Schmerz. . . . Leb wohl — ach so wohl. Übermorgen hab ich wieder einen Brief von Dir. Ruhe sanft. 249