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[   Band 1 Brief 81:    Humboldt an Caroline    [Berlin],  10. Oktober 1790, nachts nach 12 Uhr   ]


und wie oft sagte ich mir selbst, daß dieser Unmut, dies nie be-
friedigte Streben gerechte Strafe meines Herausgehens aus mir
selbst sei. Meine Ideen, meine Empfindungen waren mir so heilig
und wert, füllten mich mit so einer reinen, schönen Glut. Aber
kaum berührten sie meine Lippen, so waren sie entweiht, und mir
ward so weh, als sähe ich meine liebsten, eigensten Freuden zer-
knickt. Ich fand niemand, der in mich einging, der mich verstand.
Alle nahmen sie jede Idee, jede Empfindung, so wie ich sie gab,
und da beschied ich mich ja gern, daß sie den Wert nicht besaß.
Aber, dacht ich oft, wenn sie so sähen, wie sie in mir entstand und
sich bildete, wie ich sie dachte und empfand —— da wäre sie doch
wohl mehr. Das machte mich sehr unglücklich. Wohl hatte ich
mich resigniert, allein zu bleiben, aber mein Herz war doch so
glühend, ich konnte vielleicht Glück geben und genießen, jedem
Funken Geistes oder Herzens, den ich in andern erblickte, dankte
ich ja so viel. Und finden? —— Die höchste Freude konnte ich ja
doch nur dadurch geben, daß ich selbst so viele empfand. Aber da
kamst Du, Du holde, süße, ach! Du meine Li. Es mußte ganz
mein werden, was glücklich durch mich sein sollte. Wer mich ganz
empfand, konnte mich lieben, sonst niemand, nur dem konnte ich
mehr scheinen. Durch Dich ward nun mein Dasein verwandelt,
weil ich so glücklich ward, aber mein Leben blieb, wie es war.
Denn Du bist ja ein Teil meines Selbst, ich gehe nicht hinaus
aus mir, wenn ich Dein werde. Es ist das keine Täuschung, wahr-
lich nicht. Aber es ist ja so unendlich vieles gleich in uns. Wie
könnten wir zwei Wesen sein? Nun hab ich aber auch wahrlich
keinen Wunsch, keine Erwartung, die nicht in uns liegt. Wenn
Du mich immer so liebst, kann ich nicht begreifen, wie ich etwas
vermissen könnte, und ebenso begreife ich nicht, was Du noch
wünschen könntest, wenn Dein Bill Dich ewig so liebt. Und was
heißt Liebe, als sein? Es ist ja nicht Liebe, wo ein Sein ohne

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