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[ Band 1 Brief 76: Caroline an Humboldt Auleben, Sonnabend abend 11 Uhr, 25. September 1790 ]
Blut — zum Tod langweilige Familienunterredungen spinnen sich für die nächsten drei Monate aus diesem Evenement. Sei nur nicht um mich besorgt und denke zuweilen an mich abends von sieben bis neun. Ich habe ein eignes Talent, nichts zu hören, wenn ich nicht will. Eben kommt Dein Brief, mein Bill. Nur, daß ich ihn noch bekommen habe, kann ich Dir noch sagen vor Abgang der Post. Adieu, meine Brust ist recht leidlich. Lebe wohl, einzig teures, ge- liebtes Wesen. 77. Caroline an Humboldt Erfurt, Montag abend 10 Uhr, 27. September 1790 Weh! es ergreift mich oft eine Erinnerung der Vergangenheit, daß ich meine, mein Geist müßte mich verlassen, einen der unnennbaren Augenblicke aus dem reißenden Strome der Zeit zu erhaschen, mir zurückzubringen — aber umsonst — sorglos rollen seine Wogen dahin, eine verschlingt die andere, und ich stehe über dem Abgrund, messe seine Tiefe mit starrem Blick, schaudre zurück und fühle mich wieder angezogen. Gott! so war mir nie! — Manchmal erschreck ich vor der Wildheit in mir, und dann hab ich doch auch wieder Augenblicke, in denen ich meine Seele neu geboren fühle in gött- licher Kraft, jugendlich schön, aufstrebend und einem neuen Dasein erschlossen — dann, dann seh ich Dein Bild, o Du Einziger! dann fühl ich unsre Liebe; in unendlich mannigfaltigen Gestalten begegnet sie meinem trunknen Blick, dann bin ich mir selbst heilig, weil ich fühle, daß ich Dein bin, daß ich in Dir lebe und Du Dein Dasein aus mir schöpfest. So ewig wechselnd wogt es auf und ab in mir — gehören wir uns denn selbst, und kann ich etwas dagegen! Ach, ist’s Dir wohl anders! Nein, Dein Herz, das ich in mir trage, sagt, »Bill ist’s wie Dir, Bill ist so überschwenglich glücklich und elend 230