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[   Band 1 Brief 75:    Caroline an Humboldt     Auleben, Donnerstag, 23. September 1790   ]


Träumereien zuweilen gedacht, daß, wie kein Sprung, keine Lücke
hier in dem ganzen Umfang physischer und moralischer Kräfte —
so viel wir beiden folgen können — ist, keiner von unserm jetzigen
Dasein zu unserm nächsten sein kann — daß uns vielleicht jene
Momente mit einem andern Dasein zusammenknüpfen.
Lebe wohl, ich sage Dir vielleicht ein andermal mehr davon. Jetzt
muß ich aufhören, um die Botenfrau abzufertigen, die morgen den
Brief nach Nordhausen trägt. Ach, möge sie mir einen zurückbringen.
Süßes Wesen, Du wirst, Du kannst mich nicht ungenügsam nennen,
nein, aber Du bist so der ewige Widerhall meiner Seele, daß ich
nicht anders kann, als mich in jedem, jedem Moment des Daseins
nach einem Laut Deines Wesens sehnen. Ach, der, wo ich in meinem
Innern keinen mehr ahndete, wäre mir ja der letzte. — Lebe wohl,
nimm die letzten Rosenblätter, lebe wohl.


76. Caroline an Humboldt                 Auleben, Sonnabend abend 11 Uhr,
                                                  25. September 1790

Es ist dies der letzte Abend hier in Auleben, mein geliebter
Bill. Morgen reisen wir mit dem frühesten. Madame
liegt zu Bett, ich habe die Kammer leise zugemacht und
sitze nun noch hier in meiner Stube, umgeben von alten Familien-
porträts und den Konterfeien vermoderter Kaiser und Könige, und
schreibe an meinen Bill und danke ihm ach so herzlich für seinen
teuren, lieben Brief. Ach, wie erheitern, einzig liebes Wesen, die
bloßen Züge Deiner Hand meine ganze Seele. Sei nicht bange,
Du mein Alles, um mich für den Winter. Auf den Koadjutor
rechne ich nicht viel. Ich will mich aber beschäftigen. Nenne mir
Bücher, die ich lesen soll, gib mir etwas auf. Ich möchte so gern
bestimmt tun, was Du wünschest. Ach, sei nur nicht bange, was

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