< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 1 Brief 71:    Caroline an Humboldt     [Burgörner], Freitag abend 10 1/2 Uhr, 17. September 1790   ]


Ich trug Deinen Brief auf dem Herzen, und so war’s mir
leidlicher unter den Menschen. Ach, es sind Worte des Lebens.
Ich mache Dich glücklich, o Du sollst, sollst es ewig sein. Teures,
einziges, unaussprechliches Wesen, Du heiligst mich, mein Dasein.
— Lebe wohl.


72. Humboldt an Caroline    [Berlin], Freitag früh 6 Uhr,
                                       17. September 1790

Es muß wieder meine erste Beschäftigung heute sein, Dir
zu schreiben, liebe Li, wie es gestern meine letzte war. . . .
Darum ist’s mir nicht lieb, daß Du Burgörner verlässest,
daß schon dieser Brief Dich in Auleben findet, da und in Erfurt,
ach, so wenig süße Erinnerungen begegnen da meiner armen lieben
Li. Mir ist recht bange für Dich vor dem Winter. Niemanden
hast Du, der irgend eine Stunde Dir aufzuheitern vermöchte, und
im Hause das ewige Einerlei, die tötende Langeweile, die kleinlichen
Menschen. Lies viel und schreib an Bill und treibe vielerlei durch-
einander, das wird Dich zerstreuen. Auf den Koadjutor rechne ich
fast nicht, ich glaube nicht, daß er zurückkommt. . . .

                                                          Abends
Soeben bekomme ich noch spät einen Brief von Dir. O! Du
trautes, liebes Wesen, noch einmal hast Du mir geschrieben, da ich
noch bei Dir war. O! wie ich Dir danke, wie mir das Herz vor
lauter Freude klopft . . . Du weißt ja, was Deine Briefe mir
sind, mein einziger Genuß, wenn ich fern von Dir bin. Heut hast
Du mir geschrieben, ach! Li hat mir gewiß schon früher geschrieben,
hat mir wohl seit Dienstag alle Tage geschrieben. Künftigen
Donnerstag bekomme ich das, weiß ich zuerst von Dir selbst, was
Du machst, wie Du gelebt hast, seit ich wegreiste. . . .

                                                                       215