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[ Band 1 Brief 71: Caroline an Humboldt [Burgörner], Freitag abend 10 1/2 Uhr, 17. September 1790 ]
»Weil sie so freundlich aussieht« — Wir waren zu Hause, ich gab ihm Geld, sich einen Hut zu kaufen, und indem kam seine Mutter, die fürchtete, er möchte mir beschwerlich sein. Er wies ihr in der einen Hand das Geld und in der andern ein großes Butterbrot, das ihm noch willkommener schien, und wie sie ihn fragte, wer ihm denn das alles gegeben — »I,« sagte er, »die schöne Braut da.« Das ist hier bei Kindern ein gewöhnlicher Ausdruck, daß sie jedes geputzte Mädchen eine Braut nennen, aber mir kamen die Tränen in die Augen, und ich mußte gehen. — Ach, Bill, warum sagte er nicht »die arme Braut«. Es ist doch so wahr. Was hab ich, meine Seele, wenn Du mir fehlst? Du, mein besseres Leben, — o Du Holder, Einziglieber, wie ist Dir? wo bist Du? Vielleicht in Tegel und erzählst Mama von dem japanischen Porzellan und dem zerrissenen Strahl. Weh, Bill, wie wund ist mir das Herz. — Lieber, ich bin in den schönen Tagen herumgewesen in der Gegend, allerorten wo wir waren, und es ist, wie ich Dir sagte —— ich sehe noch alles Schöne, aber ich fühl es nicht mehr — ach, Bill, ich stehe davor wie vor einer gemalten Leinwand — ich fühle nicht mehr das rege Leben der Natur, und mein warmes Gefühl vermag nicht überzuströmen in die Gestalten außer mir — hier — hier, alle Glut in meinem Herzen und einzig darin verschlossen — komm zurück, daß es sich ausgießt in Deinen Busen. Montag nachmittag Gestern morgen bekam ich Deinen Brief und hätte Dir so gern geschrieben, aber ich mußte mich anziehen und in die Nachbar- schaft fahren. Die Bewegung ist mir nicht gut bekommen, ich spucke wieder Blut und leide heut viel an der Brust. Sei nicht bang — Du weißt, meine Zufälle gehen auch schnell wieder vorüber. Rechne auf jeden Fall auf einen Brief aus Auleben, wenn ich auch durch die Reise krank hinkommen sollte, und sei ruhig. Es trennt uns ja nichts. 214