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[   Band 1 Brief 70:    Humboldt an Caroline    Berlin, Donnerstag, 16. September 1790   ]


fühlt ich, daß, wenn ein Wesen gemacht wäre, Glück zu genießen,
das meine es wäre — aber daß ich’s genießen würde, war mir
klar nie, ahndete ich sogar selten. Es gehörte auch so unendlich
viel dazu, mich zu beglücken, und wenn ich nicht verzweifelte, das
zu finden, würde dann auch das Wesen so in mich eingehen, mich
so verstehen und dann mich so tragen wollen, wie ich fühlte, daß
es mußte, wenn ich mich ganz, ohne einen einzigen vermissenden
Wunsch, glücklich fühlen sollte. Was mich glücklich machen, alles,
was mir das Höchste, das göttlichste und menschlichste Dasein zu-
gleich geben konnte, ersah ich schon früh in Dir, Du unnachahm-
lich Schöne. Diese anspruchlose Größe und allwaltende Güte
Deines inneren Wesens, diese Tiefe und Grazie des Gefühls, diese
Empfänglichkeit des Sinnes für jegliches Schöne, die so allver-
knüpfende Fülle Deines Geistes und diese Schärfe, die unter jeg-
licher Hülle die Wahrheit der Gestalten erblickt — und dann den
holden, entzückenden Reiz, in dem dies alles sich meinem Auge bei
Deinem Anblick enthüllte. Und nun liebst Du mich so, verstehst
Du mich, wie nie ein Mensch mich verstand, gehst Du so tief in
mich ein, trägst mich so unendlich süß in Deiner Liebe. O! darum
sag ich’s auch mit der Zuversicht, daß niemand, niemand auf Erden
so glücklich durch Dich mehr sein könnte als ich.
Ich pflückte heut in Tegel ein paar herbstliche Blumen, ich
habe sie so gern, so das letzte Geschenk des fliehenden Jahres.
Ob ich künftig Jahr an Deiner Seite sie pflücke? Es wäre doch
so schön, wenn unsre Verbindung im künftigen Sommer wäre.
Vielleicht ist’s. In wenig Wochen sollst Du Gewißheit haben . . ..

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