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[   Band 1 Brief 65:    Caroline an Humboldt     [Burgörner], Dienstag abend den 6. Juli 1790   ]


davon verstehe und ich schon einigemal bemerkt habe, daß Papa
glaubt, die schiefen Ideen, die ich, wenigstens in seinen Augen,
habe, kämen mir von Dir. Aber ich habe mir und der Schmidtin
angewöhnt, von meiner Verbindung im künftigen Sommer wie
von einer Sache, die gar keinem Zweifel mehr unterworfen ist, zu
sprechen, und Papa wagt es nicht, zu widersprechen, sondern fängt
an, einige häusliche Arrangements darauf zu nehmen. Ich sage
Dir, Wilhelm, es ist nichts so drollig wie die Menschen, und wie
man sie wenden muß und drehen, bis man den Fleck trifft, an dem
man sie festhalten muß — ach so oft ist’s nur ein Zwirnsfaden,
aber, wenn sie es nicht wissen, ist er fest wie eine Kette. Antworte
Papa sobald und so umständlich als Du kannst, das wird ihn
freuen. Lieber, die Idee, die Du vorzüglich Papan benehmen mußt
und die ich über Dich am eingewurzeltsten bei ihm sehe, ist, daß
Du aus Vorliebe für Deinen Dir selbst bezeichneten Gang Ver-
bindungen und dergleichen vernachlässigest, die Dir ein schnelleres
Avancement verschaffen könnten. Eine klare Darstellung der ob-
waltenden Unmöglichkeit wird am wirksamsten sein, um Papa
eine andre Ansicht zu geben. Wenig Menschen sind aufgelegt, die
Geringschätzung ihrer Ideen, wenn’s auch leere Hirngeburten wären,
andern zu vergeben. Papa hat sehr diesen Fehler. Erst denkt er
sich eine Sache in seinem Kopfe aus, überredet sich die Wahr-
scheinlichkeit ihrer glücklichen Ausführung bis zur Gewißheit, und
wenn er dann Hindernisse findet, gibt er die Schuld den andern.
Dein Hiersein, Deine mündlichen Unterredungen werden viel tun,
aber, Bester, Du wirst viel Geduld haben, unzählige Wiederholungen
aushalten müssen. Das schmerzt mich im voraus. Ach so oft dünkt’s
mich, ich wär es nicht wert aller Mühe, aller Sorge, die Du um
mich hast. — Einziger, Liebster! Laß mich Dir wieder am Herzen
liegen und alles aus Dir schöpfen, Trost und Hoffnung und ein
volleres Gefühl meines eigenen Wesens. — Wilhelm, könnt ich

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