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[   Band 1 Brief 65:    Caroline an Humboldt     [Burgörner], Dienstag abend den 6. Juli 1790   ]


Dein Brief ist da. O, ich wußt es wohl, Du konntest mich
nicht ohne ein Wort Deiner Liebe lassen. Tausend innigen, warmen
Dank. Ich bin müde, die vergangene Nacht konnt ich nicht schlafen,
es geht besser, ruhe sanft, mein Wilhelm. Morgen mehr.

                                                   Mittwoch abend
Konnte ich doch den ganzen Tag nicht zum Schreibtisch kommen,
hundert Kleinigkeiten hielten mich ab. Aber den Tag kann ich nicht
vollenden, ohne mit Dir gesprochen zu haben, Liebster, Bester . . .
Gott, wenn Du nur nicht so von mir und Dir sprächst, wie Du’s
tust. Ich kann nicht sehen, daß Du mich so über Dich erhebst.
Was wäre ich denn ohne Dich? Das bißchen Festigkeit, das Du
so rühmst — Deine Liebe, das heilige Gefühl, das Du meinem
Herzen eingeflößt hast, gibt sie mir erst. Ich bin Deiner nicht un-
wert, ich bin gut, denn ich liebe Dich ja, und ich fasse Dein heiliges
Herz — aber Wilhelm, das Ideal Deines Geistes? — Wenn ich
Dich nicht so überschwenglich liebte — wenn ich nicht fühlte, daß
Du nur Liebe verlangst, könnte mir recht bang werden.
. . . Papa hat mir erzählt, daß er Dir selbst schriebe, einen
weitläufigen, ellenlangen Brief . . . ob er nun heute noch damit
fertig werden wird, da wir Gesellschaft haben, weiß ich nicht. Ich
bin eigentlich neugierig auf das, was Dir Papa schreiben wird.
Papas Äußerungen sind oft so verschieden. Es ist noch nicht lang,
daß er mir sagte, Du dürftest Berlin nicht verlassen und Dich in
eine Provinz versetzen lassen, als bis Du Assessor wärest, und vor
ein paar Tagen sprach er zufälligerweise von Magdeburg, den
dortigen Gesellschaften, und sagte, die Frau des dortigen Regierungs-
Präsidenten würde mich recht en bagatelle traktieren, wenn ich nichts
als die Frau eines Referendarius wäre. Ich sagte ihm, den Spaß
könnte er ihr wohl lassen, wenn ich den hätte, es zu sein. Außer-
dem habe ich die Gewohnheit, wenig oder nichts in Gesprächen
über Dienstverhältnisse und dergleichen zu reden, weil ich nichts

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