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[ Band 1 Brief 54: Caroline an Humboldt Burgörner, den 10. Juni 1790 ]
blick ins Leben, einen richtigeren in seine Verhältnisse gewonnen hätte. — —— ——— — Du fragst mich wegen Deines Herkommens und wie es mit Papa aussieht. Er läßt sich nicht viel ausholen, denn er entriert gar nicht viel auf die Gespräche, die auf unsere Ver- bindung Bezug haben, indessen garantiere ich Dir, daß er unserer Heirat im künftigen Sommer nichts im Weg legt. Ein einzigmal habe ich noch mit ihm über die Finanzen gesprochen, da kam denn so viel heraus, 500 Taler könne und wolle er mir wohl geben, aber nur die Madame drücke ihn, 100 Taler habe er ihr ver- sprochen jährlich, und er sähe nicht ab, wie die Madame mit 100 Talern auskommen wolle. Das ist nun alles sehr wahr. Ich habe mit Carolinen überlegt, ob wir sie nicht wo anders hin placieren könnten, aber es bleibt bei Plänen, und wem kann man mit gutem Gewissen so eine Last aufschwatzen? Madame bekommt, solange sie bei mir ist, jährlich 130 Taler und verputzt es richtig alle Jahr bis auf den letzten Taler; wenn Papa ihr nun auch 150 Taler gäbe, wie würde sie auskommen, wenn sie sich so viel Sachen an- schaffen müßte, die ihr bei uns nichts kosten, als Wohnung, Heizung, Wäscherlohn, Licht u. dgl.? Ich sehe es nicht ab. Es schmerzt mich im Grunde, Madame auf ihre alten Tage in Verlegenheit zu denken, indes es ist doch ganz unmöglich, sie bei mir zu behalten oder Papa zu bewegen, es in seinem Hause zu tun, weil sie so voll unausstehlicher Prätentionen ist. Sie selbst ist mir unbegreif- lich; es macht ihr niemand Hoffnung, sie zu behalten, sie kennt mein Verhältnis mit Dir, ich habe ihr mit Fleiß nicht verschwiegen, daß unsere Verbindung wahrscheinlich im Sommer 91 sein würde, und dennoch denkt sie nicht an die Zukunft, und es entfällt ihr kein Wort darüber. Ich gestehe Dir, daß es mich ordentlich interessiert, zu erfassen, woher diese Sorglosigkeit bei Madame kommt, denn die Art Indolenz, die manche Menschen für ihr künftiges Aus- 158