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[ Band 1 Brief 54: Caroline an Humboldt Burgörner, den 10. Juni 1790 ]
Bestimmung gibt das meinem Leben, ich kann mich nun nie mehr allein fühlen, wie das sonst so oft mein Fall war, ich fühle mein Wesen verflossen in ein anderes und verwebt in die Harmonie des Ganzen durch seine Liebe. — So werd ich leben, mein Wilhelm, in der Schönheit und Wahrheit Deiner Seele, in den mannigfaltigen Gestalten Deines Geistes, so vielleicht vermögen ein schöneres Da- sein, eine lieblichere Welt um Dich zu bilden und Dir einen Teil der Glückseligkeit zu erstatten, die Du mir gibst. Ich schicke Dir Blätter und Blumen aus der Pappelallee, es ist zwar nur eine Feldrose, — die Lindenblätter sind von dem Baum, unter dem wir auf der Rasenbank saßen, den Morgen mit Caro- linen und Carln, — da war mir auf einmal so weh — o es ist ein merkwürdiger Platz — da sagte ich Dir vor nun bald zwei Jahren das erste vertrauliche Wort, ich glaube, das erste Du, da hätte uns Papa bald überrascht. Weißt Du noch, wie er fast vor uns stand, ehe wir es merkten? — Da sitz ich jetzt oft — laß Deinen Geist mich da aufsuchen, eingewiegt von dem Rauschen des Wassers, von der Einsamkeit und der Stille des Ortes weht ein Gefühl der Ruhe über meine Seele, und die Bilder meiner Geliebten gehen vor mir vorüber wie vor Ossians Seele die Geister der Helden. Ich bin in einer eignen Stimmung — durchaus eigen, mir deucht, ich bin nie so gewesen, und ich kann’s nicht ausdrücken, wie’s ist — vielleicht empfindet es Carl — ich denke, der Liebe soll bald kommen, ich habe ihm von Erfurt aus geschrieben, wann wir hier sein werden. Es ist die Trennung von Dalberg, die mich auf diesen Ton gestimmt hat, ich fühl es. O ewige Güte, wie soll ich Dir danken, daß Du mein Herz so weich und so fest gemacht hast! Ja so ist’s, mein Herz schwebt bald über seine Leiden, und es ist keins in meinem vergangenen Leben, von dem ich nicht eine höhere Stufe des Glücks und der Ruhe erstiegen, einen weiteren Aus- 157