< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 1 Brief 47:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], den 1. Mai 1790   ]


ihm so gut. Wenn er einmal mit uns leben könnte, sollt es mich
recht freuen. Ach ich sehne mich so, daß unser Leben sich zum Wahren
neige, die Seele genießt doch nur ihr volles Leben in Sicherheit
und Ruhe, und eine stille häusliche Existenz kann unbeschreiblich
füllen, wenn man die Geräuschlosigkeit so liebt wie ich und Du.
Möchte Caroline einst unter uns sein —— ich sehe auf jeden
Fall noch ein paar sehr trübe Jahre für sie, denn so lange währt
es wenigstens, bis die chère mère *) sich vom Hof entfernen kann.
Mir ist unbeschreiblich bang für das liebe Geschöpf, wenn der
époux zurückkommt. Lotte hat mich so amüsiert, sie schrieb letztens:
»er schwärmt leider schon in Deutschland herum, wenn er sich doch
im ewigen Zirkel um unsre Gegend bewegen müßte, ohne je in den
Mittelpunkt zu kommen.«
Lotte ist gar drollig, sie hat viel Mutterwitz. Schiller scheint glück-
lich mit ihr zu sein, ruhiger in seinen Gefühlen für Caroline, und Lotte
gibt es so eine Sicherheit, Carolinens Seele so unbeschreiblich auf
Dalberg gerichtet zu sehen. Ja, so sind die Menschen, Kinder, die
nach den nächsten sinnlichen Anlässen greifen. Dalberg müßte Caroline
viel werden; die Größe und Grazie dieses Wesens ist unbeschreiblich.
Verzeih — ich werde unterbrochen.


48. Humboldt an Caroline                         [Berlin], den 8. Mai 1790

Verzeih, meine liebe Lina, wenn Dir die Bräutigamspost
heute nur zwei Worte bringt. Aber ich habe noch viel
zu tun und muß zu Mama nach Tegel. In mancher
Rücksicht ist mir meine Sommerexistenz lieber als die im Winter.
Die langweiligen Whistpartien hören dann auf, und in Tegel ist’s

———
*) Siehe die erste Anmerkung auf S. 107.

                                                                       143