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[ Band 1 Brief 45: Caroline an Humboldt [Erfurt], Mittwoch, den 28. April 1790 ]
daß er hier war, wenigstens acht Jahre. Ich erinnere mich sehr gut, daß es dazumal meiner Eitelkeit gewaltig schmeichelte, L[euchsenring] so verliebt in mich zu sehen, ich dünkte mich gar nichts Kleines mehr, wenn ich dergleichen Eroberungen machen konnte. Lieber Wilhelm, wir wollen einmal die Geschichte unsrer Liebschaften treu und auf- richtig schreiben; aus denen, die um meine Hand geworben haben, wollt ich ziemlich das Alphabet komplett machen und darunter Figuren — nein, man hat keinen Begriff davon! Der erste von allen, der dergleichen Ansprüche machte, ein Herr v. Hagke, freute mich kindisch, weil es mir was Neues war, daß mich jemand zur Frau begehrte, und ärgerte mich doch auch so gewaltig, weil ich es albern und impertinent fand, daß er mein Mann werden wollte, daß ich vor Ungeduld es kaum erwarten konnte, daß der Brief an Papa über dieses Sujet beantwortet sei, um ihn zu dem aller- niedrigsten Gebrauch des Papiers zu kondamnieren, dadurch allein glaubt ich mich sattsam gerächt . . . Du hast wirklich eine große Gabe, die Menschen zu beobachten und das Bild, das Du empfängst, wieder darzustellen. Es tut mir leid, daß Jette so ist, wie Du mir einmal geschrieben, Du genießest doch unendlich weniger dadurch in ihrem Umgang und sie in dem Deinen. Ach, möchte sie doch fühlen, daß keine Eigenheit des Charakters die Freude des Zusammenseins stört. Ich sehe so viel treffliche Menschen, die diese Idee mit sich herumtragen und in dem Wahne stehen, der höchste Genuß könne nur im Einklang unsrer Gefühle sein. Sie bedenken nicht, daß aus unsrem Dasein und unseren Verhältnissen keine ermüdende Einförmigkeit, sondern eine schöne Mannigfaltigkeit, eine süße, entzückende Harmonie hervor- gehen soll, und nehmen durch ihr eitles Streben die Blüte von all ihren Freuden und erreichen nie, was sie so ängstlich suchen. 136