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[   Band 1 Brief 31:    Humboldt an Caroline    Berlin, 13. März 1790   ]


wir müssen nichts gewaltsam machen. Das stört den innern Frieden.
Aber es läßt sich sehr viel auf eine milde, sanfte Art tun. Solltest Du
aber auch andrer Meinung sein, solltest Du lieber, den Wünschen
Deines Vaters gemäß, warten wollen; o! an Deiner Liebe, an Deiner
Sehnsucht, mich glücklich zu wissen, könnt ich ja dennoch nie zweifeln.
— — Bis künftigen Freitag werd ich in bangen Ahndungen
leben. O! meine teure, liebe Seele, wenn Du wieder krank wärest,
wieder littest! Laß mich bald einige Zeilen Nachricht haben.


32. Humboldt an Caroline                           [Berlin], 20. März 1790

Wie doch alles Glück in diesem rein Idealischen unsrer
Empfindungen, in diesen Individualitäten unsrer Gefühle
liegt, wie sich da jeder seine eigene Welt bildet, und wie
nur in dieser Heimat ihm wohl ist. Aber ewig strebt die Wirklich-
keit außer uns diesem innern Sein entgegen. Solange sie uns
nun bloß einengt, hemmt, begrenzt, solange wir leiden, entbehren
wir bloß einen Teil des Genusses. Wir ziehen uns immer mehr
in uns zurück, werden genügsamer und genießender. Aber wenn
wir anfangen, außer uns zu wirken, dann zieht uns oft der Strom
mit sich fort, wir gehen aus uns heraus, zerstören die heimische
Hütte in uns, und in den Palästen, die wir außer uns auftürmen,
bleiben wir ewig Fremdlinge. Darum sind die Weiber so viel
besser als die Männer, und die Männer nur allenfalls gut, so-
lange mehr die Schöpfung ihrer Phantasie in ihnen als die Wirk-
lichkeit außer ihnen sie füllt.
Die Forster sah das so klar, und wie ich mich das letztemal
von ihr trennte, entließ sie mich mit so einer Besorgnis, so einer
Ahndung, als würde sie mich nie wiedersehen. Denn so manches,

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