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[ Band 1 Brief 31: Humboldt an Caroline Berlin, 13. März 1790 ]
mehren, sehr oft bei Dir sein könnte. Vielleicht ließe auch Papa sich bereden, den Winter in Magdeburg und nicht in Erfurt zu- zubringen. Das wäre mir wirklich noch lieber. Gäb es auch ein wenig Familienennui, so mußt Du wieder bedenken, daß es uns beiden doch sehr leid tun würde, Deinen armen Vater ganz allein zu lassen. Er liebt Dich doch in der Tat so sehr und würde ohne Dich schwerlich angenehm leben. Sehr gern wollt ich ihm versprechen, mich nie aus Magdeburg versetzen zu lassen. So hätte er die Ge- wißheit, Dich nie zu verlieren; da hingegen bei den jetzigen Plänen er es uns nicht verdenken kann, wenn wir, um uns früher zu be- sitzen, ohne Rücksicht auf den Ort das erste annehmen, was sich darbietet. Wohl fühl ich es, daß Dein Vater Dich sehr ungern mir in einer so gar nicht glänzenden Lage geben würde, als die meinige dann wäre. Es von ihm zu fordern, wäre ungerecht und unbescheiden, und wenn ich nicht Achtung genug für ihn hätte, es von ihm auch gern erbitten zu wollen, so gesteh ich Dir, könnt ich den Plan, wie unendlich ich mich auch sehne, Dich zu besitzen, nicht tragen. Denn immer muß man doch in die Ideen der Menschen eingehn. Es ist sehr natürlich, daß Dein Vater ganz andre Rück- sichten nimmt als wir. Wer, wie er, immer in äußern Verhältnissen gelebt, wen seine Stimmung selten in sich zurückgeführt hat, der schätzt nur das äußere Wirken, kennt nur diesen Maßstab des innern Werts, gewöhnt sich mehr auf das Urteil, selbst auf das Vorurteil der Menschen zu achten, sollte er’s auch als Vorurteil erkennen. So kann ich mir sehr gut ein Interesse an Stand, selbst an Titel denken. Indes wäre da vielleicht zu helfen. Einem an sich unschädlichen Vorurteil nachzugehen, würde ich keine Schwierigkeiten machen. Sage mir, Lina, wie Du über das alles denkst, ob der Plan Dir gefällt, ob Du einen andern weißt, ob Du diesen für möglich hältst? Du kennst Deinen Vater, prüfe ihn, suche einzuleiten — 102