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[   Band 1 Brief 30:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], Mittwoch, den 10. März 1790   ]


denen sie in sich liebliche Gestalten bildet. . . . . Ich werde aus
Papa nicht recht klug. Der Aufschub ist es gewiß nicht, der ihm
an unsrer Verbindung mißfällt, denn es graut ihm vor dem Ge-
danken, daß er sich von mir trennen soll, und es kommt mir vor,
daß er eben, um ihn in sich nicht rege zu machen, so ungern davon
spricht. . . Über eine Anekdote mit dem Herzog von Weimar hat
er sich sehr geärgert. Ich habe sie Carln geschrieben. Er sagte ganz
spitzig, »das wären noch die Früchte von unsrer Entrevue in Weimar,
daß man nun in dem Gerede von allen Menschen wäre«. Es ver-
droß mich auch, und ich antwortete ihm, wie wir gewiß nichts da-
für könnten, und wenn dem denn auch so wäre, ich nichts Nachteiliges
daran sähe, falls er mich nicht an zwei versprochen hätte. . . .
Die Periode, für die mir vor Carolinen so bang war, ist
leicht vorübergegangen, in einem süßen Traum der Vergangenheit
schwebt sie über der Gegenwart hin. . . . Bitte Carln, daß er den
Frauen nicht viel über dies ganze Verhältnis zu Lotte und Schiller
spricht, wer es nicht ganz durchschaut, versteht es gar nicht. Lotte
ist ruhig, Schiller ist’s auch, Caroline in einer eigenen, milden
Stimmung. Ach, mein Wilhelm, wann wird man den Menschen
auslernen — diese schnellen Umwandlungen, denen unser Wesen
unterworfen ist, diese wechselnden Vorstellungsarten unsres Geistes
— die Dinge bleiben meist immer dieselben — in uns liegen die
wandelnden Gestalten allein. . . .
Der Tasso ist gar herrlich. Goethe hat sich bei uns sehr in
Kredit gesetzt, weil er die Frauen so darinnen lobt, — es sind
köstliche Sachen, er liegt immer bei mir, man wird nicht müde, ihn
zu lesen. Ja, wohl muß die Stein viel genossen haben, als er sie
noch liebte — aber nun von ihm verlassen — das muß sehr weh
tun. Ich kenne dies Verhältnis nicht genau, aber so viel habe ich
wohl gemerkt, daß sie hin und wieder klein und er indelikat ge-
handelt haben.

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