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[ Band 1 Brief 28: Caroline an Humboldt Erfurt, Sonntag abend, den 28. Februar 1790 ]
gewiß hoffe, mit nächster Post ein Konzept zu bekommen, das ich sogleich abschreiben und weiter spedieren werde. Wenn mir Caroline, Lotte oder Schiller nicht helfen, so weiß der Himmel, wie es gehen wird, denn mein armer Kopf ist wie ausgetrocknet, wenn ich an den Brief für Mama denke. Vergebens habe ich ihn schon vorgestern eine Viertel Stunde auf die Folter ge- spannt, es wollte keine Zeile kommen — Du hättest nur gleich einen Brief aufsetzen und mit herschicken sollen, in dem Stil, den Mama begünstigt, mein lieber Wilhelm; aber Du hast zu groß Vertrauen in meinen Kopf gesetzt, und dafür bekommst Du nun alles einen Posttag später. — Mein Vater war sehr neugierig auf Deinen letzten Brief, er meinte, wir wollten unsre Depeschen gegeneinander auswechseln — es passierte aber nichts. Ich ließ ein paar Worte von meinem vorhabenden Brief an Mama fallen, er machte aber ein Ge- sicht und meinte, ich sollte nicht so eilig sein. Von seiner Seite ist folgends gar nicht zu erwarten, daß er zuerst schreiben sollte. Ich sehe noch nicht ab, wie sich diese hohen Potentaten nähern werden. Wenn ich meine Herzensmeinung sagen soll, muß ich doch auch gestehen, daß mein Vater nicht füglich den ersten Schritt zur Eröffnung der Korrespondenz machen kann. Mama muß sich in diesem Verhältnis nicht als Frau, sondern als Mutter betrachten, und da es doch in der ganzen Christenheit Sitte ist, daß, wenigstens pro forma, um das Mädchen angehalten wird, so kann der Vater sie nicht ausbieten. Meinethalben mögen sich Papa und Mama auch gar nicht schreiben, nur insofern wir der Sekkatur über- hoben würden, wäre es mir lieb. Papa hat mir aufgetragen, sein Stillschweigen bei Dir wegen Ausarbeitung von Monitis über eine neue Justizverfassung, die hier eingeführt werden soll, zu entschuldigen. Aber ich habe ihm 97