< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 1 Brief 27:    Humboldt an Caroline    Berlin, den 26. Februar, abends   ]


vernünftig? Ich werde nun anfangen mit ihr zu brillieren. Sprechen
tut sie freilich nicht davon, aber das ist par discrétion. Indes ist
mir die Indolenz unbegreiflich. Eine andre Mutter würde doch
fragen: ist sie groß, klein? hat sie schwarze oder blaue Augen? von
dem allen nichts. Ich glaube, hätte ich ihr Deinen Namen nicht
von selbst gesagt, sie hätte auch danach nicht gefragt. Sorge jetzt
nur für Papa. Ich begreife nicht, warum er mir nicht schreibt. Ich
habe doch alles so gut gemacht, als es nur immer möglich war.
Lotte ist also nun endlich Schillers Frau. Mögen sie beide,
durch sie Caroline recht glücklich sein. Umarme die gute Caroline
recht herzlich in meinem Namen. Ich denke Euch mir nun bald
wieder auf einige Wochen vereint.
Hast Du schon Goethes Tasso gelesen? Wie unendlich schöne
Stellen der hat! Was Leonore über die Liebe sagt, und das Lob
Ariosts, und so vieles andre. Ich konnt ihn mir erst einmal flüchtig
lesen. Aber er hat mich hingerissen. Die Stein muß doch unend-
lich genossen haben, von so einem Mann geliebt zu werden, denn
in Goethe ist doch alles so wahr, so tief empfunden, so Geist und
Herz verschwebt! — Ich muß hier abbrechen. Verzeih mir, meine
teure Seele. Die Zeit meiner größeren Muße naht mit großen
Schritten. Lebe wohl und trage mein Liebe sanft in Deiner Seele.
 — Lebe wohl.


28. Caroline an Humboldt                       Erfurt, Sonntag abend, den
                                                         28. Februar 1790

Deine schnelle Erklärung gegen Mama, noch mehr aber
ihre zärtliche, herzrührende Einwilligung haben mich wirk-
lich überrascht, lieber Wilhelm. Ich habe auch schon nach
Jena geschrieben und meine Verlegenheit wegen des Briefes an
Mama, die unbegrenzt ist, so herzbrechend vorgetragen, daß ich

                                                                       96