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[ Band 1 Brief 27: Humboldt an Caroline Berlin, den 26. Februar, abends ]
Hand geschrieben, mir ist! Dann kam ganz unvermutet — Carl. Er ist herberufen worden und soll verschickt werden. Es ist mir lieb, weil er hier Freude gibt und empfängt, und weil ich hoffe, daß er mit Anfang des Sommers wieder in Deiner Nähe sein wird. Verstimmen sollen ihn die Frauen nicht. Sie sind selbst nicht mehr so verstimmt als sonst. Die Jette ist ein so närrisches Geschöpf. Sie ist, ich möchte nicht sagen, so kindlich — das drückt etwas andres aus — auch nicht kindisch — aber so kindähnlich. Ich habe nie so etwas Verlangenreiches gesehn. Nach allem streckt sie die Hände aus. Alles will sie haben, sein. Beständig macht sie Pläne, Projekte, und »morgen tue ich das«, »was tust Du morgen ?« u. s. f., immer im zukünftigen Augenblick. Was sie denkt und empfindet, ist so voll und ganz und schnell, daß sie gar nicht begreifen kann, wie nicht jeder das auch denken und empfinden müßte. Daher ihre Intoleranz. Selbständigkeit hat sie gar nicht, dafür hängt sie aber auch mit so treuer, inniger Zärtlichkeit an einem, daß sie rühren müßte, wenn man sie auch nicht liebte, und so ohne Stolz, daß sie zufrieden sein könnte, nur aus Mitleid ge- liebt zu werden. Wenn ich mehr Muße habe, schreibe ich Dir mehr von ihr. Heute will’s mit meinen Ideen gar nicht fort, und es ist so schwer, Menschen zu schildern, und doch tu ich’s so gern. Denn das mußt Du schon dulden, daß ich Dir von allen Menschen schreibe, mit denen ich umgehe. Mir ist, als wärst Du mehr bei mir und um mich, wenn Du meine Menschen kennst. Und ich bin doch nur glücklich, wenn ich Dich noch um mich weiß, träume. Wenn wir erst einmal zusammen leben, dann werd ich mir ordent- lich vornehmen müssen, nur dann und wann bei Dir zu sein. Sonst wirst Du mich nie los. Darin kann ich recht unerträglich sein. Hier im Hause geht alles den gewöhnlichen ennui de famille. Mama ist außerordentlich freundlich nach der Erklärung unsres Verhältnisses, noch mehr als vorher. Ist die Mama nicht recht 95