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[ Band 1 Brief 17: Caroline an Humboldt Erfurt, 7. Januar 1790 ]
17. Caroline an Humboldt Erfurt, 7. Januar 1790 Ich suche mich zu sammeln, um Dir zu schreiben, ach! ich kann mich selbst noch nicht wiederfinden, meine Sinne entfliehen mir hier, meine Seele ist fern von sich selbst — diese Leere, diese Abgeschiedenheit von allem, was ich liebe, und diese namenlose Fülle in meinem Herzen — wer begreift es außer Dir, wie mir ist! — O, ich freue mich, daß nur Du diese Gefühle, diese glühenden Erinnerungen mit mir teilst — Wilhelm! wie trage ich sie in mir, und wie so heilig und ganz umfaßt Dich mein Herz! Sie sind vorüber die seligen Tage, in denen mir ein neues Dasein aufgegangen ist — eine neue Welt der Empfindung ent- faltet sich vor mir — o ich glaubte nicht, je so geliebt zu werden, aber wie hast Du mein Wesen aufgefaßt, wie das Deine in mein innerstes Sein und Leben verwebt — mein Wilhelm, daß ich Dir’s sagen könnte, so wie es tief in meiner Seele liegt, wie unaus- sprechlich Du mich beglückt hast, wie Deine Empfindungen, Deine Liebe den nie befriedigten Wünschen meines Herzens Leben und Wahrheit gegeben haben — ach, sie fingen an, dahinzusterben, ich suchte mich zu überreden, meine Phantasie habe sie mir geboren, und es sei hier nichts, das ihnen entspreche —— Vergib, Dein Herz hatte sich ja noch nicht so ganz vor mir entfaltet, in diesem Heilig- tum der Liebe fühlt ich sie wieder aufblühen, und nicht umsonst. — Ach, meine Seele ist versunken, und diese Erinnerungen, dieser Genuß, dem noch nie etwas gleichkam, hat mich für alles Äußere verschlossen, ich fühle mich allein leben in Dir, fühle mich nur ge- hoben durch Deine Liebe, deren Odem mich trotz unserer Trennung umschwebt. Eine lange trübe Periode unseres Lebens — aber sie wird auch vorübergehen, sei Du nur unbesorgt um mich, teurer Geliebter, nur der erste Augenblick war schrecklich — ach es ist uns nicht 62