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[ Band 1 Brief 11: Humboldt an Caroline Göttingen, den 20. März 1789 ]
Sind wir aber nicht recht nachahmende Geschöpfe? wir fangen auch das Briefschicken an. Ich erhalte doch diese Briefe und Dein Urteil bald? Jetzt geh ich nur nach Hannover und Braunschweig. In unserm Briefwechsel ändert diese kurze Reise nichts. 12. Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag, den 9. April 1789 Das war eine lange Pause in unserm Briefwechsel, mein ge- liebter Wilhelm. Möge nie wieder eine solche eintreten, denn obgleich man sich nicht ferner ist und Verwandte Seelen ihre Nähe trotz der Entfernung fühlen, so verliert man doch bei solchem Stillschweigen unendlich an dem Genuß des Lebens, für den es sich doch eigentlich nur zu leben verlohnt. Laß uns, mein Lieber, nun ersetzen, was wir zeither durch unser Stillschweigen verloren haben, und uns um desto öfterer schreiben. Du warest lange krank — mein Herz litt unendlich bei diesem Gedanken und dem Gefühl unserer Trennung. O nein, Becker kann nur in Augenblicken, wo sein eigenes Wesen durch äußere Verhältnisse gedrückt wird, es bereuen, meinem Herzen die Richtung gegeben zu haben, die es ihm zu danken hat, denn Becker hat selbst eine Seele, fähig, die Wonne der Augen- blicke ganz aufzufassen, die gemacht sind, Jahre der Leiden zu be- lohnen. Diese Verfeinerung meiner Gefühle, mit denen ich — wenn nicht immer — doch mehrenteils über den Qualen meines Herzens schwebe, durch die ich für Leiden gewisser Gattung ganz unempfänglich bin, und die mir jeden Genuß tausendfältig erhöhen, werde ich immer dem teuren Mann verdanken, der meine Jugend leitete. Becker danke ich das höchste Glück meines Daseins, denn 33