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[   Band 1 Brief 11:    Humboldt an Caroline    Göttingen, den 20. März 1789   ]


dungen, bis auf diesen Grad verfeint und veredelt, müßten Dich
so unglücklich machen. Becker sagte mir, als ich ihn in Gotha
sprach: »Beinah tut es mir leid, daß ich ihr diese Richtung gab.«
Wahr ist’s, je feiner und edler unsre Art zu empfinden ist, desto
mehr sind auch der Tage der Wehmut, desto mehr der Ursachen zu
Leid und nagendem Kummer, und doch desto glücklicher sind wir.
Weil wir auch die freudigen Momente höher empfinden, besser ge-
nießen? Darum, und noch mehr, weil wir uns größer, besser fühlen
als jene Menschen, die ewige Gleichgültigkeit und Stumpfheit der
Empfindung in immer gleicher Stimmung erhält. Dieses Gefühl
unseres inneren Vorzuges erhält uns stark mitten in den schmerzendsten
Leiden, es erhebt uns über den Wechsel der Schicksale, es gibt uns
Mut, uns selbst genug zu sein, wenn auch alles andre schwindet,
was wir uns sonst als Glück dachten. Und das reine, erhabene
Vergnügen, das in jeder edlen Empfindung liegt, sollte gleich eben
diese Empfindung unser Herz tief verwunden. Rechne endlich noch
das selige Vorgefühl dazu, daß die schönen, herrlichen Früchte
jenes veredelten Gefühls dauernd und ewig sind, daß in ihnen
Keime der unnennbarsten Seligkeit liegen, der Kummer aber, den jetzt
so eine Stimmung freilich sehr oft hervorbringt, schon hier leichter
zu tragen ist, je mehr man mit ihm vertraut wird, und daß er
schwindet in dem Lande, wo wir nicht mehr aus trügerischen
Äußerungen Schlüsse ziehen, in dem Lande, wo Seelen Seelen
schauen.
Du schreibst so gut, meine Li, weißt Deine Ideen und Emp-
findungen so deutlich, so lebendig zu schildern. Du mußt mir noch
einen Gefallen tun, meine Liebe. Du weißt, C[arl] und die Weiber
nannten mich oft schwärmerisch; ich sprach mit Dir in Erfurt da-
von und auch Du sprachst mich in gewissen Augenblicken nicht frei
davon. Erkläre mir das jetzt näher. Sehr leicht ist es möglich,
daß Ihr recht habt, und ich glaub es, weil Ihr so einstimmig darin

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