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[   Band 1 Brief 6:    Humboldt an Caroline    [Erfurt], 2. Januar 1789   ]


und nicht im Wirken sucht, muß dieses Leben unausfüllbare Leeren
haben!« Aber jetzt steht er mir immer vor Augen, jetzt strebe ich
rastlos, danach zu handeln, und er, verbunden mit dem tröstenden,
herzerquickenden Rückblick auf Euch und Eure Liebe, und der ver-
trauungsvollen Aussicht auf eine Zukunft, die uns noch enger an-
einander knüpft, läßt mich stark und mutig die Bahn des Lebens wallen.
So viel von mir, jetzt von Dir, von meinem Aufenthalt, meinen
Absichten. Sieh, meine Herzens-Li, auch diesmal kann ich nur
wenig Tage des Zusammenseins mit Dir mir schenken. Mittwoch
muß ich wieder von hier fort und zurück; das sind in allem ohne
Mittwoch nur vier Tage. Ich bin noch mit zwei andern gereist, die
nach Jena gegangen sind und mich wieder hier abholen. Du
wünschtest, ich sollte nun auch nach Rudolstadt gehen. Ich wünschte
es auch, ebenso Jette*) und Carl. Es muß ein herrliches Weib
sein, Deine Lina**). Herzlich danke ich Dir für ihre Briefe. Ich
bringe sie Dir wieder mit. Wie voll sind sie von edlen, feinen
Empfindungen, von wahren, durchdachten Grundsätzen. Wie schön
und eingreifend ist die Sprache, wie sieht man, daß das Herz jede
Silbe schrieb. Ach! Li, sind wir nicht sehr, nicht zum Beneiden
glücklich, daß wir einen solchen Kreis miteinander schließen? Solche
Seelen, vereint durch Liebe zu Liebe und Vollkommenheit, und
Genuß dieser Vollkommenheit, wie selig müssen die miteinander
sein! Ich wünschte Caroline aufzunehmen. Aber wie wird das
in so kurzer Zeit möglich sein!
Ich will Dir meine Pläne sagen, und antworte Du mir gleich
recht ausführlich darauf. Du kannst mir morgen den Brief geben.
Schreibe aber ja gleich. Du tust es ja für Deine Lina, für Dich.
Ich denke Montag ganz früh nach Rudolstadt zu reisen und
Dienstag abend wieder zu kommen. Nur eins! Wird es Dein

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*) Henriette Herz, vgl. die Einleitung.
**) Caroline v. Beulwitz — spätere Frau v. Wolzogen, geb. v. Lengefeld.

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