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[ Band 1: Einleitung ]
deutung um vieles nachstand, aber sie an schlichter Treue übertraf, des Dichters Herz gewann, wie er bei der Unmöglichkeit, Caroline zu besitzen, Lotte zu seiner Lebensgefährtin wählte und seine Wahl nicht zu bereuen hatte, das sind bekannte Tatsachen. In einer uns kaum verständlichen Art vermochte Schiller in seiner zwiefachen Liebe durchaus glücklich mit seiner Frau zu leben und gleichzeitig mit ganzer Seele an Caroline und dem geistigen Verkehr mit ihr zu hängen. Auch dann noch, als sie schon ihr Herz von dem seinen losgerissen und in glühender Schwärmerei Dalberg zugewandt hatte. Auch hier war jeder Gedanke, einander angehören zu können, ausgeschlossen, Caroline war verheiratet und Dalberg katholischer Priester, aber es ist charakteristisch für die Auffassung der Zeit, daß Caroline v. Dacheröden mit der freudigsten Anteilnahme diese Neigung in der Freundin entstehen sieht und ihr Dalbergs Interesse an ihrer Caroline nie warm genug erscheint. Alle diese jungen, schwärmerischen Menschen lebten in der Hoffnung, wenn einmal Dalberg Kurfürst sein würde, sich in Mainz um ihn zu versammeln, und malten sich das vereinte Leben dort in den verlockendsten Farben aus. Die beiden Carolinen einte schon seit mehreren Jahren eine innige Freundschaft, die ihr Leben hindurch in gleicher Treue fortbestehen sollte. Auffallend ist die Ähnlichkeit dieser beiden Naturen: reiche geistige Begabung, glühende Liebe für alles Hohe und Edle und ein unversiegbarer Quell kindlicher Heiterkeit, auffallend noch mehr ihre Verschiedenheit. Caroline v. Dacheröden hatte in allen Ver- hältnissen das höchste Streben nach Wahrheit, nach innerer Ruhe; was sie einmal mit Liebe umfaßt, hielt sie mit unerschütterlicher Treue, sie fand die Vollendung ihres Wesens in dem einzig für sie geschaffenen Manne, und früh einte sich in ihr zur vollen Harmonie höchste Bildung mit einfachster Natürlichkeit. XX