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[ Band 1: Einleitung ]
Caroline v. Beulwitz ließ sich von ihrer glühenden Phantasie in ein glänzendes Traumleben führen, sie flammte in Begeisterung auf, riß an sich, was ihr liebenswert erschien, und konnte erkalten, wenn eine neue erhabene Erscheinung ihre Bewunderung erregte, oder wenn die Wirklichkeit nicht ihrer Vorstellung entsprach. Jung an einen rechtschaffenen und liebevollen Gatten gefesselt, dem aber jedes Verständnis für ihre Feuerseele fehlte, mußte sie viel durch- kämpfen und einen schweren Lebensweg gehen, ehe sie sich den Frieden des Herzens errang. Ihre kinderlose Ehe mit Beulwitz ward im Jahre 1794 getrennt, und wenige Monate darauf vermählte sie sich mit ihrem Vetter Wilhelm v. Wolzogen, Schillers Freund, der sie von Jugend auf geliebt hatte. Obwohl von seiten Carolines ohne leidenschaftliche Liebe geschlossen, bot diese Ehe mit dem ausgezeichneten Manne ihr ein ruhiges Glück. Als er 1797 als Kammerrat in Weimar angestellt wurde, und als gar zwei Jahre darauf Schiller und die geliebte Schwester sich in Weimar niederließen, ward ihr Leben reich an allem, was ihr liebens- und begehrenswert erschien. Ihr Haus stand im Mittelpunkt des unvergleichlich reichen geistigen Lebens, das diese Stadt damals erfüllte. In dieser Atmosphäre wurde auch ihr produktiver Geist zu neuem Schaffen angeregt. Sie ver- öffentlichte ihren schon 1794 begonnenen Roman »Agnes von Lilien«, der namentlich in seinem Anfang vielfach für ein Werk Goethes gehalten wurde. Diesem Höhepunkt ihres Lebens folgten Jahre tiefen Leids. Wie schmerzlich Schillers Leiden, sein Tod, sie, die nach wie vor in der innigsten Geistes- und Seelenverwandtschaft mit ihm stand, bewegt haben muß, das können wir zwischen den Zeilen lesen in ihrem »Leben Schillers«, das sie 25 Jahre später schrieb, mit dem sie ihm und, ohne es zu wollen, auch sich selbst ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat. XXI