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[ Band 3 Brief 214: Humboldt an Caroline Berlin, 28. Julius 1810 ]
zu erringen glauben, vor allem aber immer demütiger werden und anspruchloser, sich immer williger beugen unter höhere, innere Gefühle und der Gewalt langbewährter Liebe, tiefer in den eignen Busen greifen, ernster mit sich und sanfter mit anderen, immer williger auch das eigenste Glück, wenn es nötig wäre, denen opfern, die man liebt, immer unbedingter nur für sie leben und sich eine Einsamkeit bauen, die kein Gefühl des Unmuts von der Außenwelt trennt, aber die still zurücktritt, wo ihm die Begegnung versagt wird. Nur so bildet sich eine Kraft, die, vom Höchsten genährt, als Macht und ohne falsche Schonung gegen das minder Hohe auftritt, die wohl versteht, andere zu beherrschen, nachdem sie sich selbst beherrscht hat, und es übt, wo sie es will, der im Innern nichts widerstehen mag, und die im Äußeren manchen Widerstand überwindet, weil am Ende das Schicksal, wie blind man es nennt, doch immer der Kraft, und am liebsten der höchsten, zusagt. So, mein ewig teures, holdes Wesen, verstehe ich das Leben des Menschen. Erreichen werde ich nur wenig davon, aber man muß darum nicht minder die Bahn wandeln, die einsam genug ist. Du wirst mich darum auch sehr ruhig und selbst heiter wiederfinden. Wenn ich jetzt schwermütig bin, ist es nur die Trennung von Dir, die es macht. Gott! ist es denn so wenig, von seinem besten Sein fast zwei Jahre getrennt zu sein? Muß man es nicht in jedem Gedanken, jeder Empfindung fühlen? Mich bringt schwerlich wieder je etwas auf Erden zu solch einer Trennung. Es ist nicht bloß ein Entbehren des höchsten Genusses, es ist Stillstand in allem freien Emporstreben zum Besseren. Denn ich bin nun einmal durch Dich einzig und allein, was ich bin. Du kannst nicht glauben, mein teures Herz, wie es mich darum so innig, so überschwenglich glücklich macht, daß Du die gleiche Sehnsucht teilst, daß Dich der Aufschub unsers Wiedersehens kränkt, daß Du nach Wien zurück- 447