< zurück Inhalt vor >
[ Band 7 Brief 130: Humboldt an Caroline Ottmachau, 19. April 1826 ]
130. Humboldt an Caroline Ottmachau, 19. April 1826 Ich bin noch hier, liebstes Kind, und komme nun auch frühestens vor dem 23. nicht fort. Allein der Zauber löst sich. . . . Gestern war ich den größten Teil des Nachmittags in der Altanstube und auf dem Altan selbst. Der Wind kam meist aus Norden und machte den Himmel teilweis sehr rein. Die Sonne schien wechselnd, wie es die Wolken erlaubten, und es gab auf der Gegend so strich- und fleckweise Beleuchtungen, in denen das frische Grün der Saaten, die Schwärze der gepflügten Felder und die Schneepartien der Berge sich wunderlieblich machten. Es bleibt doch eine himmlische Gegend, und es ärgert mich immer aufs Neue, daß Theodor so wenig Sinn hat, sie zu benutzen. Ich ennuyiere mich nicht, ob ich mich gleich sehr zu Dir sehne. Teils besorge ich die paar Geschäfte hier, teils lese ich in den sehr sehr wenigen mitgebrachten Büchern, eigentlich nur im Homer, den ich ganz hierher gestiftet habe, und also immer finde, und im Nalas *); sehr viel aber gehe ich auch nur so herum und denke und sinne und überlasse mich den inneren Gedanken und Träumen. Dazu kommt man außer der Einsamkeit selten, und es ist doch eine der menschlichsten Arten, zu sein, und eine schöne Natur befördert es. Unendlich viel denke ich da an Dich, süßes, geliebtes Herz, und das ganze mit Dir verlebte Leben. Denn auch wenn ich gerade nicht bei Dir war, wie leider recht viele Zeit in unser Leben ge- fallen ist, so lebst Du doch so mit mir und bist so mit in mein ganzes Leben verwachsen, daß ich gar nicht denken kann, wie es ohne Dich sein könnte, und noch weniger, wie ich ohne Dich ge- wesen wäre. Ich bin auch überzeugt, daß wenn sich zwei Menschen wirklich lieben, das schon von ihrer Geburt an ihr Tun und Sein ——— *) König der indischen Sage im Mahâbhârata. 252