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[ Band 7 Brief 120: Humboldt an Caroline Burgörner, 15. November 1824 ]
von Meyers Hof fortfuhr, jagten die Leute fürchterlich auf dem sehr schlechten Steinpflaster des Städtchens, und ich untersagte es nicht, da ich immer ein felsenfestes Vertrauen auf ihn habe. Aber es brach, ehe wir heraus waren, ein Eisen am Kasten, ge- rade das, was den Riemen trägt. Nun wurde es zu spät, noch den Tag hierherzukommen. So etwas ist allerdings unangenehm. Aber Du kannst auch nicht glauben, wie der grüne Wagen mit Nutzen reist. Dauert es lange so, so verjüngt er sich ganz, und er ist so vernünftig, immer nur das älteste Stück abzulegen. Denn dafür, daß ihm das Rathenowische Postpferd auf dem Hof die Deichsel zerbrach, konnte er wirklich nicht. Hier habe ich Deinen Brief vom 9. erhalten und mit großem Bedauern gesehen, daß Dein Auge und Dein Arm Dich noch immer leiden lassen. Ich vertraue aber auf Rusts Bemühungen. Am Alter, süße Seele, liegt es nicht. Weit ältere Leute als Du sind gesund, und Du hast von vielen Seiten in Deiner Jugend fast mehr gelitten als in späteren Jahren. Das Alter macht wirk- lich nicht so einen Abschnitt im Leben, in dem nun etwas, was vorher da war, aufhörte. Das innere und äußere Leben ist ein Ganzes, alle Übergänge sind nur allmählich und eins fließt so in das andere über, daß man eigentlich nichts zu betrauern und nichts zu vermissen hat. Es ist wirklich nie genug zu bewundern, welche unendliche und sich immer erneuernde Fülle aus einem einzigen Leben quillt, wie das Denken und Fühlen, das Wollen und Tun immer neue Anregung finden, wenn man sich nur vor irdischer Schwere und irdischem Leichtsinn bewahrt, wenn man Schmerz und Freude innig umfaßt und beide in das Gefühl der Menschheit auflöst, wenn man in allem nur immer das ergreift, was zu neuem inneren Leben führt. Eins aber ist wirklich dem Alter eigen, und es gibt einen Moment, wo man sich dadurch überrascht fühlt, ohne daß man sein Entstehen bemerkt hat, daß es eine sanfte und leise 229