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[ Band 7 Brief 117: Humboldt an Caroline Magdeburg, 8. November 1824 ]
glaublicher Mühe gefunden habe. Besonders hat mir die bekannte Fräulein Ulrike *) sehr viel zu schaffen gemacht. Ich hatte mit ihr gegessen, sie den Nachmittag immer mir gegenüber gesehen, und erst am Abend ging sie mir wie ein Stern, obgleich ein etwas dunkler, auf. Auch war es niemandem eingefallen, sie nur ein einzigesmal Fräulein zu nennen. Wie ich schon ganz über sie be- ruhigt war und sie schlechtweg für die Frau des Postmeisters aus Rathenow hielt, sprach einer mit ihr von ihrer Schwester, der Pfuel **). Da fielen mir die Schuppen von den Augen, und ich wurde nun sehr gesprächig, um alles wieder gutzumachen, habe es aber ver- mutlich ebendadurch verdorben. In der Familie bin ich nie ganz herausgekommen, ich wußte aber, daß da ein Fräulein Rochow, ein Fräulein Fouqué ***) und ein Fräulein Briest im Salon herumgehen mußten, und nun habe ich die schwankenden Bilder nur immer »meine Gnädige« angeredet und mich der gefährlichen Namen ganz enthalten. Außerdem war eine Frau von Bornstedt da, die eine Han- noveranerin ist, und eigentlich eine ganz Rathenowsche Coterie, nämlich diese Frau von Bornstedt, die dort mit ihrer Tochter wohnt, ein Herr von Retzow (der Bruder der Feldmarschallin Kleist, aber von der letzten Frau seines Vaters, da die Feld- marschallin von der ersten ist, und es zwischen der ersten und letzten drei andere gab). Dieser Herr von Retzow hat ein Gut ohne Wohnhaus und lebt, bis er eins baut, in Rathenow. Er ist der bel esprit du canton und las eben Scharaden vor, als ich herein- trat, hatte auch an diesem Tage ein Extrawochenblatt mit vielen ——— *) Vermutlich Ulrike v. Rochow. **) Klara, geb. v. Rochow, Gattin des späteren Generals Friedr. Ludw. v. Pfuel, † 1846. ***) Marie de la Motte-Fouqué, geb. 1804, † 1864, Tochter des Dichters und der Karoline v. Rochow, geb. v. Briest. 224