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[ Band 7 Brief 102: Humboldt an Caroline Schulpforta, 25. November 1823 ]
Mir hat er in diesen Tagen, wie zerstreut und durch seine Krankheit gestört unser Umgang war, viel Freundschaft und wahres altes Vertrauen bezeigt, und wohltätig ist gewiß mein Wieder- sehen, mein Eingehen in die Sachen, die er mir wies, meine große Freude an der, die ihm die liebste ist, auch gewesen. Ich möchte es für vieles nicht hingeben, die Reise gemacht zu haben. Der ganze Aufenthalt in Weimar hat mir viel Freude ge- macht, vorzüglich auch Caroline. Sie ist immer die alte, und mehr und besser hier, als ich sie in Frankfurt gefunden hatte. Ich habe vorgestern ganz allein bei ihr gegessen. Es hat sich gar nichts in ihr verändert, noch immer das alles Vereinigende, mit der Phantasie verschönende Wesen, dies Leben in Ideen und Poesie, und diese Lust, ins wirkliche Leben mit einzugreifen, daher das beständige Beschäftigen mit Planen über Dinge, die sie gar nichts angehen, und das luftige Gewebe ihrer eigenen Ein- richtungen. Sie hat gar nicht den tiefen und sicheren Gehalt, der an ein weibliches Wesen, wenn man Sinn und Gefühl dafür be- sitzt, unauflöslich kettet, eine nahe Verbindung mit ihr hätte mich nie beglücken können, allein zum bloßen Umgange, der aber sehr vertraut sein kann, ist es auch unmöglich, etwas mehr Anregendes, Gefallenderes und im Gespräch über jeden Gegenstand mehr An- ziehendes zu finden. Dabei ist sie von einer tiefen Gutmütigkeit, die sich auch jetzt immer ausspricht. Ich denke doch, sie besucht uns einmal in Burgörner oder Tegel. Sie schreibt und läßt drucken, zwei Bände Erzählungen. Mit der Tragödie scheint sie noch nicht im reinen, und einen Roman hat sie auch im Werke, der zugleich den ganzen Zustand während der französischen Revo- lution und nachher vorstellen soll. Die Fürstin von Rudolstadt er- zählte mir, daß Adolf *) sie fußfällig bitten soll, die Tragödie nur nicht aufs Theater zu bringen. Ilgen ist zurück und der Bienen- ——— *) Adolf v. Wolzogen, einziger Sohn Carolinens. 197